Elternzeit

Corona Krise: Von der Elternzeit in die Armut?

Ihr Lieben, mich erreichen aktuell immer mehr Anfragen verzweifelter Mütter zu dem Thema: Was, wenn meine Elternzeit im Sommer endet, die Kita aber aufgrund der Corona-Krise geschlossen hat, bzw. mein Kind nicht zum vereinbarten Zeitpunkt eingewöhnt werden kann?

Dazu möchte ich die Nachricht einer Leserin mit euch teilen, die mich besonders berührt und beschäftigt hat:

„Meine beiden Zwillingsmädchen sind jetzt 11 Monate alt. Mit der Kita sollte es eigentlich am 1.August bzw. am 1.September losgehen. Im Juli muss ich zurück in den Job, mein Mann sollte die Eingewöhnung übernehmen. Ich bin Förderschullehrerin und unterrichte Kinder mit geistiger Behinderung in der Inklusion. Als Lehrerin muss ich im Unterricht anwesend sein. Außerdem habe ich nur ein Jahr Elternzeit genommen, weil wir den höchsten Elterngeldsatz brauchen. Wir sind darauf angewiesen, dass wir beide Vollzeit arbeiten. Jetzt läuft die Kita wegen Corona im „eingeschränkten Regelbetrieb“, wir werden immer wieder vertröstet, obwohl ich als Lehrerin Anspruch auf Notbetreuung habe. Mein Mann ist Gastronom in Kurzarbeit, wir leben in einer teuren Stadt mit Zwillingen. Wenn ich daran denke, dass uns das Geld ausgeht, schnürt sich mir die Kehle zu.“

Dieses Gefühl kann ich sehr gut nachvollziehen. Es ist ein Dilemma, in dem gerade sehr viele Müttern stecken: Die Elternzeit und das Elterngeld neigen sich dem Ende zu, der berufliche Wiedereinstieg rückt näher. Der Chef*in macht Druck – formaljuristisch gerechtfertigt, denn vertraglich besteht eine Pflicht nach dem Ende der Elternzeit wieder in den Job zurückzukehren. Doch wer betreut in dieser Zeit die Kinder, wenn noch nicht einmal mit der Eingewöhnung gestartet werden kann?

Politische Lösungen? Immer noch Fehlanzeige. Familien werden vertröstet und immer noch im Ungewissen gelassen.  Fußballer, die Automobilindustrie, Restaurants, Fitnessstudios – sie alle bekommen eine klare Perspektive. Was mit Müttern in der Corona-Krise passiert, deren beruflicher Wiedereinstieg an Kitas im Notbetrieb scheitert, wird in der öffentlichen Debatte mal wieder unter den Teppich gekehrt.

Verständlich, dass es euch die Kehle zuschnürt, wenn sie an die Zukunft denkt. Was kommt jetzt, wenn ich mein Kind nicht eingewöhnen kann? Eine Verlängerung der Elternzeit? Wenn das nicht geht: Muss ich meinen Job kündigen? Und anschließend melde ich mich arbeitslos?

Eltern-Druck gegenüber Kitas wird das Problem nicht lösen

Viele Eltern fühlen in dieser Situation den Impuls den Druck auf die Kitas zu erhöhen. Das ist in der Verzweiflung nachvollziehbar, löst jedoch nicht das Problem:

Bei jedem Gespräch mit Leitung bzw. Erzieher*innen sollten wir uns bewußt machen: Alle Kitas arbeiten momentan am Limit. Es fehlt an räumlichen Möglichkeiten und pädagogischem Personal. Gesundheitsbedingt fallen viele Fachkräfte, die ja sowieso schon Mangelware sind, aus. Und: Die strikten Hygiene- und Abstandsregelungen lassen es besonders bei kleinen Kitas nicht zu, dass sich (zu) viele Kinder in den Räumen aufhalten. Verständlicherweise haben sich viele Einrichtungen daher entschieden, Eingewöhnungen erst dann durchzuführen, wenn die Rahmenbedingungen wieder stimmen. Wer will schon sein Kind eingewöhnen, wenn kein kontinuierlicher Bezugserzieher*in einsatzbereit ist, wenn es nicht möglich, dass Eltern die Kita betreten, wenn alle Eltern und Erzieher*innen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen, wenn kleine Kinder Abstand voneinander halten sollen?

Falls ihr gerade in dieser Situation seid, hoffe ich sehr, dass es euch gelingt gemeinsam mit der Kita und den Erzieher*innen eine gute Lösung zu finden. Bitte denkt daran: Es ist für alle schwierig und wir sitzen alle in einem Boot!

Aber nun zurück zum Juristischen:

7 Tipps für den Wiedereinstieg in Zeiten von Corona

Was kannst du tun, wenn der Wiedereinstieg bevorsteht und bis dahin keine Kita-Eingewöhnung möglich ist? Leider ist die Lage verzwickt und die Aussichten sind – Überraschung! – für Eltern mal wieder nicht besonders rosig!

1. Reden, reden, reden

Wichtig ist, dass du alles mamamögliche versuchst, und kontinuierlich mit deinem Arbeitgeber*in kommunizierst. Einige Arbeitgeber*innen lassen mit sich reden und sind bereit, dich bei verschiedenen Lösungsansätzen zu unterstützen.

2. Elternzeitverlängerung

Auch wenn es finanziell und karrieretechnisch sicher nicht die beste Lösung ist, kann die eine Verlängerung der Elternzeit ausreichend Luft für eine Eingewöhnung verschaffen. Einvernehmlich könnt ihr das immer mit dem Arbeitgeber vereinbaren. Komplizierter wird es, wenn er das nicht möchte und ihr die Verlängerung einseitig durchsetzen müsst. Hierzu werde ich noch einmal einen ausführlichen Blogeintrag schreiben!

3. Beanspruchung von Resturlaub, Überstundenabbau, Minusstunden

Falls ihr noch Resturlaub aus der Zeit vor der Elternzeit habt, könnt ihr Urlaub beantragen. Für viele von euch ist das sicherlich nicht die Lieblingslösung…denn bestimmt würdet ihr euch den Urlaub gerne für anderes aufsparen. Eine weitere Alternative ist der Abbau von Überstunden, oder der Aufbau von Minusstunden. Der Vorteil ist jedenfalls, dass ihr bei diesen Lösungen wieder Gehalt bekommt. Wichtig: lasst euch Vereinbarungen dazu immer schriftlich bestätigen!

4. Unbezahlte Freistellung

Die finanzielle sicher schlechteste Variante ist sich ohne Bezahlung von der Arbeit freistellen zu lassen. Immerhin ist man dann noch offiziell beschäftigt, allerdings bekommt man keinen Cent Gehalt. Sollte dein Arbeitgeber*in auf dieser Variante bestehen solltest du auf jeden Fall versuchen, darauf eine Elternzeit zu machen. Immerhin hast du dann noch den Sonderkündigungsschutz. Eine weitere Möglichkeit wäre auch deinem Arbeitgeber*in vorzuschlagen, die Eltern-Entschädigung zu beantragen (siehe Punkt 6).

5. Kurzarbeit

Falls die Voraussetzungen vorliegen, kann du deinem Arbeitgeber*in auch vorschlagen, dass du nach der Elternzeit/bis zum Abschluss der Kita-Eingewöhnung in Kurzarbeit 0 gehst. Klar, das bedeutet auch weniger Gehalt (60-67%)- allerdings erhält dir das deinen Job!

6. Corona-Eltern-Entschädigung

Wenn die Variante Kurzarbeit nicht in Frage kommt, gibt es noch die Möglichkeit die Corona-Elternschädigung zu beantragen. Ich habe dazu schon relativ viel geschrieben. Schau mal hier und hier. Der Haken ist leider, dass das Corona-Elterngeld bisher maximal für sechs Wochen ausgezahlt. Geplant ist eine Verlängerung auf zehn Wochen bzw. 20 Wochen für Alleinerziehende. Das offizielle Gesetzgebungsverfahren dazu ist allerdings noch nicht abgeschlossen.

Doch auch, wenn das Corona-Elterngeld in die Verlängerung geht. Es handelt sich dabei immer nur um eine kurzfristige Lösung. Und es kommt noch dicker: In den Schulferien gibt es keine Zahlung. Der Gesetzgeber geht scheinbar davon aus, dass Eltern automatisch Urlaub haben. 6,5 Wochen Sommerferien, ohne finanziellen Ausgleich, ohne die Unterstützung von Großeltern und ohne das übliche Ferienprogramm – puh. Viele Eltern sind nach dem Stayathome-Marathon der letzten Wochen mit Homeoffice, Homeschooling und Job sowieso schon ausgebrannt. Keine besonders rosigen Aussichten für den Sommer.

Zudem kann der Antrag nur gestellt werden, wenn kein Anspruch auf Notbetreuung besteht. Sprich: Wenn du per Gesetz Anspruch auf Notbetreuung hast, den Platz aber aus oben genannten Gründen (Kita hat keine Kapazitäten) nicht antreten kann, fällst du streng genommen aus dem Raster. Allerdings ermutige ich dich in diesem Fall, doch zu versuchen, diesen Weg einzuschlagen, da dieser Fall gesetzlich nicht geregelt ist. Lasst euch von der Kita eine schriftliche Bestätigung geben, dass die Eingewöhnung pandemiebedingt erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist.

7. Worst Case: Kündigung und Arbeitslosengeld – oder gleich Hartz IV?

Im schlimmsten Fall kann es sein, dass du gezwungen bist, deinen Job zu kündigen. Es kann sein, dass Arbeitgeber*innen nicht kooperativ sind, oder durch besondere Umstände gezwungen sind, auf einem Arbeitsbeginn nach der Elternzeit zu bestehen – weil wie im oben genannten Fall beispielsweise Lehrer zurück ans Pult müssen, da wiederum die Schulen an die Weisungen der Länder gebunden sind.

Bevor ich zum eigentlichen Hammer komme, noch etwas Formales: Eine Kündigung punktgenau zum Ende der Elternzeit geht nur mit einer Frist von 3 Monaten. Hier gibt es also eine relativ lange Vorlaufzeit, die du einplanen musst. Außerhalb dieses Zeitraumes kannst du natürlich immer gemäß den arbeitsvertraglich vereinbarten Fristen kündigen- Auch während und nach der Elternzeit.

Nun komme ich zu einem coronabedingten absurden Dilemma:

Normalerweise würdest du nach einem Jobverlust Arbeitslosengeld beantragen, sofern die üblichen Voraussetzungen vorliegen. Aber: Durch die Corona-Krise sind Eltern gerade doppelt und dreifach gestraft, denn ein Selbstläufer ist die Beantragung von Arbeitslosengeld leider nicht. Es klingt wie ein schlechter Scherz, ist aber leider bittere Realität: Eltern, die wegen fehlender Kinderbetreuung arbeitslos werden, steht grundsätzlich kein Arbeitslosengeld zu. Begründung: Sie stehen dem Arbeitsmarkt ja gerade nicht zur Verfügung, da sie keine Kinderbetreuung vorweisen können. Nur wer mindestens 15 Stunden/Woche Betreuung hat, hat Anspruch. Und das auch nur über den Umfang der Stunden, die die Betreuung umfasst. Kleiner Tipp: Vielleicht findet ihr eine Begründung, wer die Betreuung eures Kindes in dieser Zeit übernimmt: Partner*in, Nachbar, vielleicht auch Oma/Opa, sofern wieder Kontakt besteht?

Hinzu kommt auch noch folgendes: Bei einer „Eigenkündigung“ wird die Arbeitsagentur noch einmal genauer nachfragen, da die selbstverschuldete Arbeitslosigkeit grundsätzlich zu einer Sperrzeit führt. Ob der Agentur für Arbeit-Sachbearbeiter*in den Grund mangelnde Kinderbetreuung tatsächlich als „unverschuldet“ anerkennt? 100% sicher bin ich mir da nicht…

Klingt alles zynisch – ist es auch. An dieser Stelle wird deutlich, dasPolitik und Gesetzgebung auch beim Thema Arbeitslosengeld ganz dringend nachbessern müssen. Es kann nicht sein, dass die Existenz unzähliger Eltern derart auf dem Spiel steht. Ohne Sicherheitsnetz vom Staat, das die Familien in dieser Situation auffängt.

Fest steht jedenfalls – ohne jetzt tiefschwarz malen zu wollen: Wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld mangels möglicher Kinderbetreuung und Kita-Eingewöhnung nicht möglich ist, kann es im worst-worst-case sein, dass Eltern direkt auf Hartz IV angewiesen sind. Von der Elternzeit in die Armut? Dieses Schicksal droht nun tatsächlich einigen Müttern bzw. Familien. Ich frage mich: Wie laut müssen wir Eltern noch werden, bis die Politik unsere Sorgen und Nöte endlich ernstnimmt? Familienpolitisch muss noch viel mehr passieren, es müssen Lösungen her, wie zum Beispiel Änderungen beim Arbeitslosengeld und dem Corona-Elterngeld. Die vergangenen Wochen haben gezeigt, wie fix eine Gesetzesänderung durchgepeitscht werden kann, wenn der Wille da ist.

Ich verspreche euch auf jeden Fall, dass ich mich weiter für euch einsetze und euch hier auf dem Blog und Social Media (folgt mir gerne bei Instagram!) über aktuelle Ungerechtigkeiten, Gesetze und Entwicklungen auf dem Laufenden halte. Ich freue mich sehr, wenn ihr hier euren Corona-Wiedereinstieg und eure Erfahrungen teilt! 

Ich schicke euch weiterhin viel Kraft und Durchhaltevermögen in diesen absurd-verrückten Zeiten. Bleibt alle Gesundung haltet durch!

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