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Das Hitzefrei-Thermometer

„Hurra! Hitzefrei! Bade- und Eiszeit statt Mathe!“ So jubelten mir unsere Nachbarskinder zu, nachdem sie sich eine Luftmatratze und Wassermelone unter den Arm geklemmt hatten, um damit fröhlich an den Orankesee zu radeln. Ich war gerade dabei unseren poststreikgeplagten leeren Briefkasten zu leeren, seufzte und dachte angesichts der Mittagshitze und diverser Akten, die noch auf Bearbeitung warteten: „Menno, so manchmal würde ich wieder gerne die Schulbank drücken, zumindest wenn das Thermometer, wie heute angekündigt, auf 36 Grad im Schatten klettern soll.“

Ich staunte nicht schlecht, als kurz darauf noch meine Nachbarin um die Ecke bog. „Du hier? Um 14 Uhr? Hast du etwa frei?“, fragte ich mit einem neidischen Unterton, da mir gerade bewusst geworden war, dass ich (angesichts meiner Selbständigkeit) vermutlich NIE wieder in meinem Leben Hitzefrei haben würde. „Na klar, unser Arbeitgeber hat uns heute wegen der Hitze um 13 Uhr nach Hause geschickt“, zwinkerte sie mir zu und trat ordentlich mit ihren Flip-Flops in die Pedale um ihre Kinder einzuholen.  „Viel Spaß beim Planschen“, murmelte ich in mich hinein. Ich war bereits am Grübeln, ob Hitzefrei im Büro wirklich so „na klar“ ist.

Hitzefrei am Arbeitsplatz, gibt es das überhaupt?

Ich fange mal mit einer kühlen Ernüchterung an: Ein „Hitzefrei- Gesetz“ oder gar ein „Recht auf Hitzefrei“ gibt es nicht. Gleichzeitig heißt das aber nicht, dass ihr ein tropisches Büro-Klima ertragen und auf eure Tastatur schwitzen müsst. Denn: Es gibt durchaus Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer, nämlich in der „Arbeitsstättenverordnung“, die regelt, was der Arbeitgeber beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten in Bezug auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz zu beachten hat. Darin ist im Anhang unter Nr. 3.5 zu lesen,

„(1) In Arbeits-, Pausen-, Bereitschafts-, Sanitär-, Kantinen- und Erste-Hilfe-Räumen, in denen aus betriebstechnischer Sicht keine spezifischen Anforderungen an die Raumtemperatur gestellt werden, muss während der Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Arbeitsverfahren, der körperlichen Beanspruchung der Beschäftigten und des spezifischen Nutzungszwecks des Raumes eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur bestehen.
(2) Fenster, Oberlichter und Glaswände müssen je nach Art der Arbeit und der Arbeitsstätte eine Abschirmung der Arbeitsstätten gegen übermäßige Sonneneinstrahlung ermöglichen.“

Der Knackpunkt ist also die „gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur“. Eine solche liegt nach den ergänzenden „Technischen Regeln für Arbeitsstätten“ (ASR) vor, wenn „die Wärmebilanz (Wärmezufuhr, Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe) des menschlichen Körpers ausgeglichen ist“. Zur näheren Beurteilung wird daher die Lufttemperatur herangezogen. Von dem Ergebnis der Messung hängen dann Art und Umfang der zu ergreifenden Maßnahmen ab. Jetzt stellt sich natürlich die Frage:  Zu welchen Maßnahmen ist der Abeitgeber bei welcher Temperatur verpflichtet?

Bei der Beantwortung hilft euch jetzt das Hitzefrei-Thermomometer, dass ich für euch entwickelt habe. Ihr müsst nur ein (echtes) Thermometer organisieren, die Temperatur an eurem Arbeitsplatz messen und eine Absatz weiter unter lesen welche Rechte euch zustehen – …vielleicht besteht ja heute auch für euch die Aussicht auf Hitzefrei, Badesee und Wassermelone:

12 Grad – aber bitte nicht darunter

Bei derartigen Temperaturen könnte man wohl eher an „Kältefrei“ denken. Das gilt aber nur dann, wenn du im Sitzen arbeitest. Bei körperlich schwerer Arbeit, die im Stehen oder Gehen durchgeführt wird, ist eine Raumtemperatur von 12 Grad tatsächlich zulässig. Bei „mittelschwerer“ Arbeit sind es 17 Grad, bei „leichter“ Arbeit sind es 19 Grad. Solltest du jeweils in kühleren Räumen arbeiten, muss der Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass das Thermometer hochklettert.

20 Grad – die optimale Raumtemperatur

Bei leichten Arbeiten im Sitzen wird 20 Grad als die optimale Raumtemperatur angesehen. Wenn du heute 20 Grad misst, dann ist alles prima. Eine Aussicht auf Hitzefrei besteht leider nicht.

26 Grad –Maßnahmen können ergriffen werden

Bei Überschreitung dieser Temperatur „können“ Maßnahmen seitens des Arbeitgebers anhand einer Gefährungsbeurteilung zu ergreifen sein – insbesondere dann, wenn schwere körperliche Arbeit zu verrichten sind oder schutzbedürftige Beschäftigte im Raum tätig sind. Dazu zählen selbstverständlich auch Schwangere. Das heißt: Der Arbeitgeber sollte die erforderlichen Maßnahmen zum Schuttz der Arbeitnehmer ergreifen (z.B. durch den Einsatz von Ventilatoren, Bereitstellung von Getränken, Lüftung zur Nachtzeit etc.). Damit gilt grundsätzlich: Eine Raumtemperatur von 26 Grad plus ist noch als erträglich anzusehen.  Hitzefrei gibt es immer noch nicht.

30 Grad – Maßnahmen müssen ergriffen werden

Klettert das Thermometer noch weiter nach oben, MUSS der Arbeitgeber handeln. Einen konkreten Anti-Hitze-Maßnahmenkatalog muss er dabei nicht erfüllen, dafür aber wahlweise konkrete Maßnahmen ergreifen um die Temperaturen zu senken um das Wohl der Arbeitnehmer nicht zu gefährden. Zusätzlich zu den bereits genannten Beispielen finden sich in den Technischen Regeln noch folgende Vorschläge: Die Lüftung in frühen Morgenstunden, die Nutzung von Gleitzeitregelungen zur Arbeitsverlagerung und – die „Lockerung der Bekleidungsregelungen“ ;-).

35 Grad – möglicherweise Hitzefrei!

Ein Raum, in dem diese Temperatur überschritten wird, ist ohne technische Maßnahmen (z.B. „Luftduschen und Wasserschleier“ – hihi man stelle sich vor…), organisatorische Maßnahmen (z.B. „Entwärmungsphasen“), oder persönliche Schutzausrüstungen (z.B. „Hitzeschutzkleidung“) nicht als Arbeitsraum geeignet. Gibt es also weder eine Klimaanlage, Ventilatoren etc. darf dort nicht gearbeitet werden. Das bedeutet allerdings noch kein „Na klar, ich habe Hitzefrei“. Der Arbeitgeber kann anordnen, dass woanders gearbeitet wird. Nur dann, wenn es keine Ausweichmöglichkeiten gibt, bleibt ihm nichts anderen übrige als „Hitzefrei“ anzuordnen. Diese eindeutige Erklärung solltet ihr immer abwarten, bei einer „Selbstbeurlaubung“ verstößt ihr schnell gegen die Regelungen eures Arbeitsvertrages.

P.S. Das Hitzefrei-Thermometer kommt dann nicht zum Einsatz, wenn im Betrieb ein besonderes Raumklima verlangt wird. Im Kühlhaus oder in einer Sauna müsst ihr leider wie gehabt frieren und schwitzen!

So, auch ich fange jetzt wieder an zu schwitzen und habe gerade beschlossen, dass ich mir heute Nachmittag mal selbst hitzefrei gebe. Es sollen ja über 30 Grad werden und das ist meines Erachtens die richtige Maßnahme für mein gesundheitliches Wohlbefinden ;-). Den richtigen Song für die Autofahrt habe ich mir auch schon rausgesucht. Also wundert euch nicht, wenn irgendjemand demnächst an irgendeiner Ampel in Berlin-Mitte gutgelaunt und in schiefen Tönen trällert:

36 Grad – und es wird noch heißer
Mach‘ den Beat nie wieder leiser.
36 Grad – Kein Ventilator,
Das Leben kommt mir gar nicht hart vor.

(Text aus dem Song „36 Grad“ von 2RaumWohnung)

Liebe Grüße,
eure Sandra

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2 Kommentare

  • Antworten
    Otti Hersel
    20. Juli 2015 at 17:38

    Hallo Smart Mama, ich finde es immer wieder toll, wie Du passend zu den aktuellen Ereignissen Deine Hilfen auf sachlich fundierte Weise (nicht nur) den Müttern kostenlos und herzerfrischend zur Verfügung stellst. Weiter so, auch wenn das Thermometer über 30 Grad klettert. Übrigens: gibt es auch für die Kita hitzefrei? Und wenn ja, muß der Arbeitgeber dann die Mama nachhause gehen lassen? Otti

  • Antworten
    smart-mama
    15. August 2015 at 3:53

    Hallo Otti!

    Danke, das herzerfrischend gefällt mir :-). Tatsächlich müssen unter den entsprechenden Umständen auch Erzieherinnen (und damit die Kinder) hitzefrei bekommen. Wenn das Kind in der Kita nicht betreut werden kann, besteht grundsätzlich ein Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber, so dass die Mama (aber auch der Papa!) nach Hause gehen kann.

    Viele Grüße, Sandra

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