Interviews Vermischtes

„Wir helfen frühgeborenen und kranken Kindern nach der Entlassung aus dem Krankenhaus“ – Interview mit Lisa Sänger von Leuchtturm Hamburg e.V.

Menschen und Engagements, die mich in diesem Jahr sehr berührt haben – dazu zählt die Arbeit von Leuchtturm Hamburg e.V. .

Auf den Verein wurde ich eher zufällig aufmerksam: Lisa Sänger, Geschäftsleiterin des Vereines bat mich Anfang diesen Jahres um Übersendung meines Buches – Hilfe bei der Beantragung von Elterngeld und Behördengängen zählt nämlich auch zu der Arbeit von Leuchtturm Hamburg e.V.  Ich wurde  natürlich neugierig und verschlang die Infos auf der Webseite des Vereines. Seitdem hat mich das Engagement von Lisa und ihren Kolleginnen nicht mehr losgelassen.

Der Verein hilft frühgeborenen und kranken Kindern und ihren Familien nach der Entlassung aus dem Krankenhaus. Viele Familien benötigen nach einem längeren Krankenhausaufenthalt Hilfe zu Hause, z.B. nach einer Frühgeburt, oder nach einem schweren Unfall – eine Leistung, die unser Versorgungssystem nicht vorsieht.

Ich entschied, nicht nicht nur ein Exemplar meines Buch nach Hamburg zu schicken, sondern auch das Team zu besuchen und mehr über die starken Frauen und das Projekt zu erfahren.

Seitdem unterstütze ich die Arbeit von Leuchtturm Hamburg e.V. Ein Teil davon ist, die Arbeit dieser wunderbaren Frauen näher in das Licht der Öffentlichkeit zu rücken. In dem Interview mit Lisa Sänger erfahrt ihr, welche Lücken der Verein im System schließt, warum frühgeborene Babys länger Elterngeld beziehen sollten und wie ihr den Verein unterstützen könnt.

1. Liebe Lisa, wie ist der Verein Leuchtturm Hamburg e.V. entstanden?

Wenn bei Kindern eine schwerwiegende Diagnose gestellt wird oder Babys viel zu früh geboren werden wird die Welt der Familie völlig auf den Kopf gestellt. Die Idee eine Nachsorgeeinrichtung zu gründen entstand aus dem Wunsch heraus, diese Familien nach einem Krankenhausaufenthalt in den ersten Wochen zu Hause zu unterstützen. Das konnte damals durch die Anschubfinanzierung der Peter Möhrle Stiftung umgesetzt werden. Seit der Vereinsgründung hat unsere engagierte Teamleitung Silke Thun, in Zusammenarbeit mit dem Vorstand, Schritt für Schritt die mittlerweile zehn Jahre alte Organisation aufgebaut.

2. Wie groß ist euer Team? Mit wem arbeitet ihr zusammen? Wer unterstützt euch?

Wir arbeiten in einem multiprofessionellen Team aus 17 Mitarbeitern. Unsere Familienkinderkrankenschwestern sind dabei das Herz dieses Teams. Sie sind auch Case Managerinnen, Entwicklungspsychologische Beraterinnen oder Diabetesberaterinnen. Eine Sozialpädagogin, eine Ärztin, eine Psychologin, eine Qualitätsbeauftragte und einer Sozialmanagerin ergänzen dieses Team. Vervollständigt wird es durch zwei Musiktherapeutinnen, eine ehrenamtliche Fotografin, eine Bürokraft und unsere Botschafterin.

Zusätzlich trägt und unterstützt uns der ehrenamtliche Vorstand in unserer Arbeit.

Im Netzwerk arbeiten wir mit anderen Nachsorgeeinrichtungen, den Frühe Hilfen, dem Kinderversorgungsnetz Hamburg, Behörden, Kinderschutzbeauftragten und anderen Beratungsstellen und sozialen Einrichtungen zusammen.

3. Wie helft ihr den Familien konkret, welche Angebote gibt es?

Im Krankenhaus hat sich ein ganzes Team um das betroffene Kind gekümmert. Nun freut sich die Familie auf die gemeinsame Zeit zu Hause, aber ist auch häufig unsicher und weiß noch sehr wenig um mögliche Unterstützungsangebote und die Therapieangebote. Bei der sozialmedizinischen Nachsorge steht die Hilfe zur Selbsthilfe im Mittelpunkt, wenn wir Familien in den ersten 12 Wochen nach Entlassung zu Hause besuchen. Durch gezielte Anleitung erlangen die Eltern Vertrauen im Umgang mit ihrem Kind. Dabei stehen Unterstützung, Motivation, Vernetzung und Begleitung im Vordergrund.

Wir haben unser Angebot der sozialmedizinischen Nachsorge auch für Kinder mit Diabetes erweitert. Für diese gibt es die zusätzliche Gruppe „Diabeteskids“ für den Austausch untereinander und mit einer Kinderkrankenschwester.

Ein besonderes Angebot ist die Musiktherapie, die Entwicklungspsychologische Beratung und die Frühgeborenen-Spielgruppe bei der Themen wie Erste Hilfe für Babys, Trageberatung und Babymassage behandelt werden.

4. In welchem Bereich benötigen die Familien am Häufigsten Hilfe?

Die Verarbeitung der Krankheit des Kindes und des Krankenhausaufenthalts steht im Vordergrund. Dafür benötigen die Kinderkrankenschwestern offene Ohren und Empathie. In der Praxis bestehen Unsicherheiten im Handling, der passenden Ernährung sowie sozialrechtlichen Fragen. Die Grundhaltung ist ein positives Feedback zum Umgang mit dem Kind.

5. Werden die Kosten von den Krankenkassen übernommen? Wie finanziert ihr euch?

Leider ist die Finanzierung der Krankenkassen nicht ausreichend. Außerdem werden nicht alle Nachsorgen von der Krankenkasse finanziert. Aus diesem Grund benötigen wir Spenden für die sozialmedizinische Nachsorge, um alle Kinder nach hohen Qualitätsstandards zu versorgen.

Zusätzlich wollen wir betroffenen Kindern mehr Angebote zu einer gesunden Entwicklung bieten und benötigen daher Spenden für unsere Projekte.

6. Ihr unterstützt die Familien auch bei Behördengängen und bei rechtlichen Fragen. Was sind die größten Stolpersteine?

Unsere Sozialpädagogin ist großartig in der Beratung für Eltern mit Frühgeborenen und chronisch kranken Kindern. Dazu gehört unter anderem das informieren über Pflegegrade, Schwerbehindertenausweise, Kinderbetreuung, Unterstützungsangebote und Elterngelder. Besonders schwierig ist es für Eltern das Elterngeld nicht länger zu erhalten, obwohl ihr Kind viel früher zur Welt gekommen ist und somit noch Nachholbedarf hat. Wenn ein extrem frühgeborenes Kind vier Monate alt wird, hat es in manchen Fällen gerade erst den ursprünglich errechneten Geburtstermin erreicht und ist häufig auch in der Entwicklung etwa auf dem Stand eines Neugeborenen. Wenn die Eltern ihr Kind in die Krippe geben, um wieder zu arbeiten, ist es also häufig noch nicht so weit, wie gleichaltrige Kinder.

Bei manchen Familien gibt es auch sprachliche Verständigungsprobleme, gerade wenn es um die medizinischen oder rechtlichen Themen geht. Für den Einsatz von Dolmetschern benötigen wir ebenfalls Spendengelder.

7. Welche Lücken schließt ihr durch eure Arbeit in unserem System? An welcher Stelle muss der Staat nach eurer Erfahrung Familien stärker unterstützen?

Unsere Kinderkrankenschwestern begleiten die Familien nach einem Krankenhausaufenthalt in häuslicher Umgebung. Durch die Analyse der aktuellen Situation erfahren Sie den Versorgungsbedarf, den sie dann in der aufsuchenden Hilfe Zuhause Schritt für Schritt umsetzen können.

Der Impact ist die Förderung der Entwicklung und Gesundheit von Kindern und die soziale Integration. Damit stellen wir die aktive Teilhabe am Leben sicher.

Dabei stellen wir manchmal fest, dass die Erkrankung oder Frühgeburtlichkeit des Kindes nur ein Problem von vielen ist. Aber wie soll sich die Familie auf das Kind konzentrieren, wenn sie beispielsweise von Wohnungslosigkeit bedroht ist oder das Jobcenter Leistungen kürzen will, weil die Eltern wochenlang in großer Sorge am Krankenhausbett saßen und sich nicht um Behördenbriefe gekümmert haben. Wir haben hier in der Großstadt das Glück, diverse Beratungsstellen zu haben. Aber das Wissen um diese muss auch bei den betroffenen Menschen ankommen.

8. Was hat dich bei deiner Arbeit in letzter Zeit besonders berührt?

Wenn sich ein Baby das Leben mit einem Geburtsgewicht von 400g erkämpft hat, Drillinge zur Welt kommen oder Tränen der Erleichterung und des Stolzes in den Augen der Eltern sind. Unsere Kinderkrankenschwestern geben Zuhause viel Mut, aufmunternde Worte, Verständnis und sind bei allen Fragen für die Familien da. Die herzlichen Rückmeldungen der Eltern über die engagierte Arbeit unserer Kinderkrankenschwestern motiviert mich jeden Tag wieder.

9. Mal angenommen du hättest 3 Wünsche frei, um die Arbeit bei Leuchtturm e.V. weiter voranzubringen. Was würdest du dir wünschen?

  1. Ganz klar: eine auskömmliche Vergütung durch die Krankenkassen! Das ist vor allem wichtig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten.
  2. Spender und Partnerschaften, die uns kontinuierlich unterstützen.
  3. Spenden für unser Projekt „Entwicklungspsychologische Beratung“ und „Digitalisierung der Patientenakte“

10. Wie kann man euch unterstützen? Wo kann man spenden? Kann man bei auch Sachspenden abgeben? Was braucht ihr konkret?

Ihr könnt ganz einfach online auf unserem Spendenformular spenden. Zudem geht dies auch bei unseren Projekten bei betterplace. Ihr könnt auch eine Patenschaft für eine sozialmedizinische Nachsorge übernehmen. Wir sind auch beim Onlineshopping dabei unter gooding und amazon-smile. Außerdem könnt ihr auf unserer Homepage Mitglied in unserem Verein werden.

Wir können auch ehrenamtliches Know-how in vielen Bereichen gebrauchen. Sachspenden können zum Beispiel elektronische Geräte oder Büroartikel sein.

Eine ganz besondere Art uns zu unterstützen sind Spenden, die durch eine Taufe, Hochzeit, Weihnachtsfeier oder einen Geburtstag gesammelt werden. Vor allem jetzt zur Weihnachtszeit können Sie sich unsere Infos zukommen lassen und getreu dem Motto „Spenden statt Schenken“ Weihnachtsgrüße versenden.Leuchtturm Hamburg e.V,

Vielen Dank für das Interview, liebe Lisa –  und danke für die Einblicke in eure wertvolle Arbeit!

Weitere Blogeinträge zum Thema

Keine Kommentare

Antworten