Elternzeit Job & Karriere Schwangerschaft Vermischtes

Wer Mütterrechte mit Füßen tritt muss auch die Anwaltskosten bezahlen

„Guter Rat ist teuer“ – das Sprichwort kennt ihr alle, vielleicht auch im Zusammenhang mit Anwaltsrechnungen. Die interessante Frage, die dieses Sprichwort im Kontext von Mütterrechten aufwirft ist jedoch die Folgende: Ist es gerechtfertigt, dass wir eine Menge Geld dafür bezahlen müssen, um gerichtlich feststellen zu lassen, dass gegen Gesetze, die Mütter unter einen besonderen Schutz stellen, verstoßen wurde?

Damit ihr mal eine Zahl vor Augen habt: Bei einem Bruttomonatsgehalt von 2.000 EUR sind das roundabout mal schnell 1.200 EUR Kosten nach Gebührentabelle, wenn die Kündigungsschutzklage – wie fast immer – mit einem Vergleich endet.

Ich stelle jetzt mal die These auf, dass guter Rat und eine anwaltliche Vertretung im Falle einer Mütterrechte-Verletzung  eigentlich NICHTS kosten sollte. Damit meine ich natürlich nicht, dass keine Anwaltsrechnung mehr bezahlt werden sollte – sonst könnte ich kaum unsere Familie nebst der beiden Meerschweinchen ernähren. Die Frage ist viel mehr: WER sollte bei Mütterrechtsverletzung das Anwaltshonorar bezahlen?

Wieso bleiben wir in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten auf unseren Anwaltskosten sitzen?

Ich hatte euch vor längerer Zeit ja schon mal erklärt, dass es im Arbeitsrecht die Besonderheit gibt, dass in der 1. Instanz jede Partei ihre eigenen Anwaltskosten tragen muss. Auch dann, wenn sie „gewinnt“.

Geregelt ist das in § 12a Abs. 1 S. Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG):

„In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistandes.“

Rechtspolitisch ist die „jeder-bezahlt-seinen-Anwalt-Regelung“ nachvollziehbar. Stell dir mal vor du klagst nach einer betriebsbedingten Kündigung und verlierst den Prozess. Dann wäre es ja vollkommen absurd, wenn du deine Anwaltskosten UND dazu noch die Anwaltskosten deines Arbeitgebers zahlen müsstest, oder? Die Hemmschwelle, Rechte im Job gegen den stärkeren Arbeitgeber durchzusetzen, soll gering sein. Daher gilt diese Sonderregel – und übrigens auch das Prinzip, dass du in der ersten arbeitsgerichtlichen Instanz keine Gerichtskosten zahlst.

Die arbeitsrechtlichen Kostenregelungen sind mütterfeindlich

Aaaaber: Die besondere Kostenregelung im Arbeitsrecht hat aber auch ihre Schattenseiten. Und jetzt komme ich zum eigentlichen Problem und Systemfehler. Unsere gesetzliche Regelung, also § 12a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), ist nämlich im Zusammenhang mit den speziellen Mutterschutz- und Elternzeit-Regelungen mütterfeindlich.

Dazu mal 3 Beispiele, damit ihr das besser nachvollziehen könnt (nicht erfunden, sind alle echt):

  1. Schwangerschaft und Kündigung

Der Arbeitgeber überreicht einer schwangeren Arbeitnehmerin eine Änderungskündigung. Die Mutter offenbart dem Arbeitgeber daraufhin sofort die Schwangerschaft und fordert ihren Arbeitgeber auf, die Kündigung zurückzunehmen, da ein eindeutiger Verstoß gegen das Kündigungsverbot vorliegt (§ 17 Abs. 1 MuSchG). Der Arbeitgeber weigert sich trotz ärztlichem Attest, die Kündigung zurückzunehmen. Die Mutter muss Klage erheben, gewinnt vor Gericht und bleibt für die bloße Feststellung, dass die Kündigung zu Unrecht ausgesprochen wurde, mal eben auf rund EUR 1.000,00 Anwaltskosten sitzen (in diesem Fall ohne Vergleichsgebühr).

  1. Teilzeit in Elternzeit

Die Mutter hat bereits vor der Elternzeit 20 Stunden in Teilzeit gearbeitet und will nun auch während der Elternzeit 20 Stunden in Teilzeit arbeiten, worauf sie ein Recht hat (§ 15 Abs. 5 S. 4 BEEG). Der Arbeitgeber verweigert das zu Unrecht. Die Mutter beschließt dennoch zur Arbeit zu erscheinen und ihre Arbeitsleistung anzubieten. Der Arbeitgeber verweigert die Annahme der Arbeitsleistung und schickt die Mutter am ersten Arbeitstag wieder nach Hause. Gehalt zahlt er in den darauffolgenden Monaten nicht. Auch hier ist die Mutter ist gezwungen zu klagen und gerichtlich feststellen zu lassen, dass sie in Teilzeit arbeiten darf und Anspruch auf ihr Teilzeitgehalt hat.

  1. Beschäftigungsverbot und Urlaub

Die Mutter ist während der Schwangerschaft in einem Beschäftigungsverbot. Das Arbeitsverhältnis endet nach der Elternzeit, die Mutter verlangt den restlichen Urlaub, der während des Beschäftigungsverbotes entstanden ist (§ 23 MuSchG). Der Arbeitgeber verweigert trotz eindeutiger gesetzlicher Regelung die Auszahlung. Die Mutter ist gezwungen, zu klagen.

Ihr erkennt das Muster, oder?

  1. Arbeitgeber verstößt gegen ein Schutzgesetz.
  2. Mutter muss klagen, weil sie sonst ihr Recht verliert, schlimmstenfalls steht die Existenz auf dem Spiel
  3. Mutter muss dafür hohe Anwaltskosten zahlen, die nicht erstattet werden.

Fazit: § 12a ArbGG muss neu geregelt werden

Auch wenn die Mutter am Ende Recht bekommt, eine ganze Menge Geld ist sie trotzdem los. Und das in einer Phase, in der die Finanzen durch den Elterngeldbezug meistens sowieso knapp sind. Das kann doch irgendwie nicht sein, oder? Es reicht ja schon, dass wir in derartigen Fällen den ganzen Stress an der Backe haben. Wer geht schon gerne hochschwanger, im Wochenbett, oder mit frisch geschlüpftem Baby zum Arbeitsgericht?

Arbeitgeber, die offensichtliche mutterschutzrechtliche Vorschriften missachten, den Sonderkündigungsschutz ignorieren und Mütter trotz Anspruch auf Teilzeittätigkeit am ersten Arbeitstag „aussperren“, müssen dafür doch die Anwaltskosten der „Gegenseite Mutter“ tragen, oder sehe ich da etwas falsch? Warum muss ich in Phasen, während der ich gesetzlich unter einen besonderen Schutz stehe für die Sicherung meiner Rechte bezahlen, wenn diese offensichtlich mit den Füßen getreten werden?

Helfen würde hier eine Gesetzesänderung, wonach der Arbeitgeber bei der Missachtung von Mütterrechten die Kosten für die Rechtsverfolgung auf Antrag erstatten muss. Wer sich offensichtlich nicht an Schutzgesetze hält, der muss eben zahlen und die Suppe auslöffeln. Ist doch eigentlich ganz einfach. Es reicht ja schon der Stress, der hochkommt, wenn man um sein Recht kämpfen muss.

Netter Nebeneffekt: Bei einer Erstattungsregelung würden sich Arbeitgeber in Zukunft doppelt und dreifach überlegen, ob sie eine Kündigung während der Elternzeit aussprechen, das wird dann nämlich ziemlich teuer.

Warum eine Neuregelung auch gut in unser Gesetzessystem passen würde:

Mal abgesehen von Artikel 6 Abs. 4 unseres Grundgesetzes, der den Schutz von Müttern unter den besonderen Schutz stellt, würde eine Neuregelung gut in die Gesetzessystematik passen. Relativ unbekannt ist, dass das Mutterschutzgesetz auch einen Bußgeldkatalog enthält (lest euch mal §§ 32, 33 MuSchG durch). Wer zum Beispiel eine Mutter trotz Beschäftigungsverbot zwingt, zu arbeiten, muss dafür eine Strafe zahlen. Theoretisch gibt es also schon „Strafen“, die ein Arbeitgeber zahlen muss. Wenn auch nicht im Fall einer ungerechtfertigten Kündigung (manchmal weiß der Arbeitgeber ja auch nicht, dass die Frau schwanger ist). Eine Grundidee ist immerhin schon vorhanden. Aber wieso nur an den Staat? Der hat doch genug Geld. Stattdessen werden Mütter arm gemacht und finanziell bestraft, ihre Rechte durchzusetzen. Wenn sie überhaupt noch Lust haben ihre Rechte durchzusetzen. Denn oftmals könnten sie es sich schlichtweg nicht leisten.

Gleichzeitig könnte der Staat mit einer Neuregelung auch Geld sparen. Bei einer Übernahme der Anwaltskosten, würden vermutlich weniger Mütter Prozeßkostenhilfe beantragen und damit auf finanzielle Unterstützung verzichten, die aus dass Steuermitteln finanziert wird. Man muss sich das noch mal auf der Zunge zergehen lassen: Wenn ein Arbeitgeber Mütterrechte verletzt, kann es bei einem Anspruch auf Prozesskostenhilfe dazu kommen, dass der Staat für die Durchsetzung der vom Gesetzgeber unter besonderen Schutz gestellten Mütterrechte Anwaltskosten zahlt. Hä? Da ist doch irgendetwas nicht stimmig.

Also lieber Gesetzgeber, ich kann dir im Namen vieler Mütter sagen: schafft die mütterfeindliche Kostentragungspflicht im Arbeitsgerichtsgesetz ab und lasst euch etwas Gerechteres einfallen!

Wie du dir auch mit kleinem Geldbeutel guten Rechtsrat einholen kannst

Bis dahin werdet ihr, liebe Mamas, weiter noch mit dem Risiko leben müssen, dass guter Rat teuer werden kann. Dazu vielleicht noch ein paar Tipps, damit ihr euer Elterngeld nicht für Anwalts-Kosten ausgeben müsst:

  1. Es gibt, wie schon erwähnt, die Möglichkeit Prozesskostenhilfe zu beantragen. Dafür musst du aber „bedürftig“ sein und deine Vermögensverhältnisse offenlegen. Wenn sich deine wirtschaftliche Situation verbessert, musst du das Geld zurückzahlen. Nähere Infos und beispielhaft den Antrag für das Land Berlin findest du hier.
  2. Du kannst zur Not selber klagen, wenn du dir das zutraust. Dazu gehst du einfach mit allen Unterlagen zum Arbeitsgericht. Dort fragst du nach der Rechtsantragstelle. Mit Glück sitzt da ein netter Justizbeamte*in und hilft dir eine Klage zu formulieren. Funktioniert aber nur vor Gerichten und Instanzen, vor denen kein Anwaltszwang besteht. Achtung: Die Damen und Herren nehmen dein Anliegen nur zu Protokoll und erteilen offiziell keinen Rechtsrat.
  3. Du schließt eine Rechtsschutzversicherung ab. Auf der Selbstbeteiligung bleibst du natürlich sitzen, aber immerhin werden dir hoffentlich ein Großteil der Kosten erstattet.

 

Ich hoffe so sehr, dass dieser Text mehr Bewusstsein dafür schafft, dass wir eine neue Kostenregelung bei der Verteidigung von Mütterrechten brauchen. Wenn es dir schon ähnlich ergangen ist, freue ich mich wie immer über dein Kommentar. Vielleicht fangen wir hier einfach mal an zusammenzurechnen, wie viel Geld wir schon ausgeben mussten, um unsere Rechte vor Gericht durchzusetzen!

 

Bild: Pixabay, William Cho

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