Job & Karriere

Studieren mit Kind – Wahnsinn?

Es gibt Mamas, die müssen noch mehr als Familie und Arbeit miteinander vereinbaren. Zum Beispiel meine liebe Bloggerkollegin Märry vom Blog Kalinchens: Sie jongliert täglich zwischen Kind, Job – und der Uni. Als sie mir berichtete, wie viele Steine ihr als studierende Mutter in den Weg gelegt werden, konnte ich meinen Ohren kaum trauen. Bitte was? Stundenpläne, die nicht kinderkompatibel sind? Kein Verständnis für kranke Kinder? Kita- und Studiengebühren? Kein Anspruch auf Bafög, geschweige denn auf andere Sozialleistungen? Ich freue mich sehr, dass sie hier auf dem Blog einen Gastbeitrag über ihre Erlebnisse geschrieben hat:

Mein Name ist Märry Raufuss, ich bin 25 Jahre alt und Mutter vom Kalinchen. Meine Tochter wird im September 4 Jahre alt. Das klingt jetzt nicht wirklich aussergewöhnlich eher so wie eine „normale“ Vorstellung. Aber. Ich bin Studentin, habe gerade meine Bachelorarbeit im Fach Erziehungswissenschaft abgeben, arbeite neben dem Studium und lebe mit dem Vater des Kindes trotz Trennung zusammen.

Zu Beginn des zweiten Semesters bemerkte ich einen kleinen Bewohner in meinem Bauch. Überall heißt es ja, studieren wäre ziemlich locker und entspannt. Und studieren mit Kind würde ja super passen. Nach der Geburt blieb ich ein Jahr lang zu Hause. Um in Regelstudienzeit zu bleiben, fing ich direkt zum nächsten Semster wieder an. Ich hatte einen rappelvollen Stundenplan, organisierte zwischen Kita, Arbeit und Uni wie wild.

Wirklich Zeit für mein Studium hatte ich nie und habe ich auch jetzt nicht. Ich schaue, dass sich mein Stundenplan an unser Leben anpassen lässt. Das hat leider nicht viel mit meinen Interessen innerhalb meiner Fächer zu tun, aber nur so geht es.

Irgendwann merkte ich aber, dass ich mit meinem Studium ziemlich unzufrieden war. Letztes Jahr im April fing ich also an, zusätzlich zu meinem normalen Studium noch ein weiteres Fach zu studieren. Meine Kommilitonen erklärten mich alle samt für total bescheuert. Kind, Arbeit, 2 Studienfächer. Aber ich habe es geschafft. Ich habe ein Semester länger studiert, leider kam mir eine wichtige Operation meiner Schilddrüse dazwischen. Der Bachelor hat mir gezeigt, was es heißt mit Kind zu studieren. Es ist die Hölle. Du kannst nichts planen, musst dich noch besser organisieren und hast immer was zu tun. Ganz zu schweigen von nächtlichen Krankheitswellen vor einem Referat oder einer Klausur.

Das größte Problem im Studium mit Kind ist der finanzielle Aspekt. Ich habe keinen Bafög Anspruch, da ich eigene Unterhaltsansprüche habe. Deswegen stehe ich seit etwa 20 Monaten mit meinem Vater vor Gericht. Wir streiten uns um meinen Volljährigen-Unterhalt. Laut Gesetz steht mir dieser bis zum Ende meiner ersten Ausbildung zu. Im Zuge des Bologna Prozesses und der damit einhergehenden Umstellung sämtlicher Studienabschlüsse, ist dieses mein Masterabschluss. Da ich Lehrerin werden möchte, ist dieser sogar zwingend notwendig. Das Gericht sieht das im Moment ein wenig anders, da es das, was ich gerade studiere, an dem Ort wo der Prozess stattfindet, so nicht gibt. Ich bin gespannt wann es endlich ein Urteil gibt.

Studenten mit Kind haben echt viele Nachteile: Ich musste einen Kredit aufnehmen um unser tägliches Leben zu finanzieren. Ich habe keinen Anspruch auf Sozialleistungen, für Wohngeld reicht mein Einkommen aus dem Nebenjob nicht aus und für andere Leistung komme ich aufgrund meines Studentenstatus nicht infrage. Der Balanceakt macht mich an einigen Tagen ziemlich sauer und ängstlich. Ich muss jedes Semester ca. 250 Euro Beiträge an die Uni bezahlen und zusätzlich müssen wir ab diesem Jahr die Kita bezahlen. Ich finde das sehr frech. Die gehen nämlich vom Brutto-Einkommen aus, sehen keine Ausgaben und sind ziemlich unfair. Dass ich monatliche Belastungen habe interessiert die überhaupt nicht. Ich nutze jede freie Minute um für die Uni zu lernen und zu arbeiten. Wenn das Kind krank ist bekomme ich fast einen Nervenzusammenbruch. In der Realität ist das den Dozenten nämlich total egal, auch wenn meine Uni eine Auszeichnung als familienfreundliche Uni erhalten hat.

Ich würde mir wünschen, dass jeder Student der Bafög beziehen möchte, dies auch bekommt. Das sind schließlich Schulden die ich auch irgendwann wieder abzahlen muss. Ich würde mir wünschen, dass Studenten mit Kind finanziell gefördert werden, der Bafög-Höchsatz wäre eine erste Möglichkeit. Ich würde mir wünschen, dass die Kita für Studenten umsonst ist. Ich würde mir wünschen, dass die Uni die Stundenpläne für Studenten anpasst. Ich hab nämlich jedes Semester das Problem, dass Veranstaltungen angeboten werden, wenn die Kita schon zu hat. Ich würde mir wünschen, dass die Kita Rücksicht auf Prüfungswochen legt und nicht genau da Ferien einplant. Passiert jedes Jahr obwohl wir uns ja in der universitären Kita befinden. Die nimmt unter anderem  Kinder von Dozenten und Professoren auf. Es gibt also jedes Jahr große Diskussionen und Probleme, wenn es um die Ferienbetreuung der Kinder geht.

Trotzdem würde ich es wohl immer wieder so machen. Denn meine Tochter ist das größte Geschenk im Leben und mein Ansporn nicht aufzuhören und weiterzumachen.

Ich bin jetzt 25 und habe mir als Ziel gesetzt mit 30 Jahren mit meiner kompletten Ausbildung, also einschließlich Refrendariat, fertig zu sein. Das mag dem ein oder anderen gerade echt spät vorkommen. Aber, ich hab dann 5 Jahre studiert, 1 Jahr Elternzeit gehabt und 18 Monate Vorbereitungsdienst gehabt.

Ich gehe mit ca. 20-30.000 Euro Schulden aus dem Studium raus. Das ist meine grobe Schätzung, genau kann ich das tatsächlich nicht sagen. Daran darf ich aber jetzt gar nicht denken...

***

Danke für diesen wertvollen Betrag, liebe Märry. Du schaffst das! Wir drücken dir alle die Daumen.

Ihr wollt wissen, wie es bei Märry weiter geht und wie sie täglich zwischen Kind, Job und Uni jongliert? Dann schaut unbedingt auf ihrem Blog Kalinchens vorbei:

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5 Kommentare

  • Antworten
    Uta
    12. Juli 2016 at 8:39

    Wow, Hut ab. Das klingt wirklich anstrengend.

  • Antworten
    Hanna
    12. Juli 2016 at 11:33

    Wirklich verrückt!
    Ich bin selbst in der Ausbildung schwanger geworden. Besser gesagt im dualem Studium. Ich arbeite im gleichen Ort wie Märry, bin aber nach der Geschichte ganz froh, dass ich nicht an der Uni war, sondern irgendwo in Niedersachsen. An einer kleinen schnuckeligen privaten Uni, die ich nach meinen Erfahrungen echt wie die Pest hasse. Und doch bin ich nach diesem Beitrag ein bisschen glücklich nicht dort weggegangen zu sein um an einer „normalen“ Uni weiter zu machen. Da bin ich persönlich lieber 2 Monate jedes Wochenende zurück zu meiner Familie gefahren und habe den Kerl und das Kind wiedergegeben, die unter der Woche alleine waren. Es waren zwar harte 2 Monate, die uns alle vor eine Herausforderung gestellt haben, aber wir mussten nie so extrem alles umstellen bzw. anpassen. Und nicht nur alles darauf anzupassen ist doch ein kleiner Segen. Auch, wenn ich mir es in meiner eigenen kleinen Vorstellung auch lieber anders gewünscht hätte…

  • Antworten
    F. Hager
    25. Januar 2017 at 21:40

    Studieren mit Kind (und Beruf) ist natürlich möglich, aber vor allem wenn die Bachelor- oder Masterarbeit ansteht, kann es tatsächlich zeitlich und mental eng werden…das berichten zumindest unsere Kunden und vor allem Kundinnen immer wieder…

  • Antworten
    Aptawelt
    20. April 2017 at 20:48

    Respekt für diesen tollen Artikel! Alleine beim lesen spürt man die Kraft, die dieser Artikel anderen jungen Müttern vermittelt. Wirklich super was du geleistet hast. Alles Liebe!

  • Antworten
    Kathrin
    6. Juli 2018 at 12:29

    Das hört sich ja furchtbar an. Tut mir echt leid, dass du die Erfahrung machen musstest. Ich bin mit einem Kind ins Studium gestartet und beende es jetzt mit zwei. Ich bin froh, dass ich ganz andere Erfahrungen machen durfte, aber ich weiß auch, dass ich mich glücklich schätzen kann, dass ich einen Mann an meiner Seite habe, der uns mit seinem Gehalt über Wasser hält, mir für Prüfungen die Mädels abnimmt und mich unterstützt. Zusätzlich arbeiten musste ich nie und wenn’s eng war, hab ich meine Tochter mit in die Uni genommen oder bin ich zuhause geblieben. Das war nie ein Problem.
    Trotzdem danke für deinen Einblick. Hätte nicht gedacht, dass es manche so schwer haben.

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