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Mutterschutz für „alle“? Von wegen! Die halbherzige Reform des Mutterschutzgesetzes

Eines steht wohl fest: Frauen- und Familienpolitik ist schon lange kein „Gedöns“ mehr. Das zeigt unter anderem der Eifer, den unsere Bundesregierung in letzter Zeit an den Tag legt, um Gesetze rund um das Thema Familie zu ändern. Kein Wunder, der Staat braucht mehr Nachwuchs. Wer sonst soll das Sozialsystem am Leben erhalten? Umgekehrt braucht der Nachwuchs auch die Unterstützung und den Schutz des Staates, um gefahrlos und mit dem Job vereinbar gedeihen zu können (so zumindest die Theorie – die Wirklichkeit sieht, wie wir alle wissen, anders aus).

Damit das möglichst umfassend gewährleistet ist, wagt sich unser Gesetzgeber nach der Reform des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) nun auch an die nächste „heilige Kuh“ – das Mutterschutzgesetz. Vor wenigen Tagen hat das Bundeskabinett tatsächlich Ernst gemacht und den Reformentwurf des Mutterschutzgesetzes gebilligt. Wenn der Bundestag zustimmt, ist das neue Mutterschutzgesetz beschlossene Sache und kann zum 01.01.2017 in Kraft treten.

Die Motivation des Gesetzgebers nun auch am Mutterschutzgesetz „herumzubasteln“  klingt erst einmal gut. Dem 126-seitigen Gesetzesentwurf lässt sich entnehmen,

…dass das Mutterschutzgesetz an die Veränderungen der gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst und besser umgesetzt werden soll…

…dass Frauen selbstbestimmter über ihren Mutterschutz entscheiden sollen,

…dass der Anwendungsbereich des Mutterschutzgesetzes erweitert werden soll und

…dass EU-Recht umgesetzt werden muss (z. B. die EU-Richtlinie 92/85).

Dabei herausgekommen sind im Wesentlichen folgende, durchaus sinnvolle Gesetzesänderungen:

Das neue Mutterschutzgesetz – Die wichtigsten Änderungen im Überblick

  1. Das Mutterschutzgesetz gilt auch für Praktikantinnen, Schülerinnen und Studentinnen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 und 8 MuSchG).
  2. Die Mutterschutzfrist verlängert sich nach der Entbindung eines behinderten Kindes von 8 auf 12 Wochen (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 MuSchG).
  3. Schwangere Frauen können auf Wunsch bis 22 Uhr und auch an Sonn- und Feiertagen arbeiten. Nachtarbeit nach 22 Uhr ist jedoch weiterhin unzulässig (§§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 1 MuSchG)
  4. Bevor der Arbeitgeber ein Beschäftigungsverbot erteilt, muss eine „Rangfolge“ an Schutzmaßnahmen getroffen werden. Erst dann, wenn nach einer Gefährdungsbeurteilung die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder der Einsatz an einem anderen Arbeitsplatz nicht möglich ist, darf eine schwangere oder stillende Frau nicht beschäftigt werden (§ 12 MuSchG).
  5. Im Falle einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche bestehen vier Monate Kündigungsschutz (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG).
  6. Um Arbeitgeber bei der Umsetzung der Maßnahmen zu beraten und Empfehlungen zu erstellen, wird beim Familienministerium ein Ausschuss für Mutterschutz eingerichtet (§ 27 MuSchG).

Und nun kommt das ABER:

Das neue Mutterschutzgesetz erreicht mehr Frauen als davor – jedoch bei weitem nicht alle

In dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 04.05.2016 liest man folgenden Passus:

 „Mit der Reform soll berufsgruppenunabhängig ein für alle Frauen einheitliches Gesundheitsschutzniveau in der Schwangerschaft, nach der Entbindung und während der Stillzeit sichergestellt werden“,

Dieses ehrgeizige Ziel hat der Gesetzesentwurf leider nicht erreicht. Denn auch nach der Reform erreicht das Mutterschutzgesetz eben nicht alle Frauen und deren (ungeborene) Babys. Paradoxerweise steht das sogar teilweise schwarz auf weiß im neuen Mutterschutzgesetz-Reformentwurf. Das Gesetz hebelt sich also quasi selbst aus.

Folgende Berufsgruppen sind nämlich vom Anwendungsbereich des neuen Mutterschutzgesetzes (teilweise) ausgeschlossen:

  • Das Mutterschutzgesetz ist für Beamtinnen, Richterinnen und Soldatinnen nach § 1 Abs. 3 des neuen Entwurfs ausdrücklich nicht anwendbar (für diese gelten besondere Vorschriften).
  • „Arbeitnehmerähnliche Personen“ (also Mütter die selbständig arbeiten, jedoch wirtschaftlich abhängig sind, weil sie hauptsächlich für einen Arbeitgeber arbeiten) sind zwar vom Mutterschutzgesetz erfasst, jedoch ist ein Teil der Vorschriften (Regelungen zum Mutterschaftsgeld und Mutterschaftslohn) nicht anwendbar
  • Für klassisch selbständig tätige Mütter, also bei einer Tätigkeit für mehreren Auftraggeber, gilt das Mutterschutzgesetz nach wie vor nicht – auch wenn das EU-Parlament bereits 2010 beschlossen hat, dass selbständige und angestellte Frauen den gleichen Schutz genießen sollen.
  • Für befristet angestellte Mütter endet der Anwendungsbereich des Mutterschutzgesetzes grundsätzlich mit dem Auslaufen des befristeten Arbeitsvertrages. Endet der Arbeitsvertrag also während der Schwangerschaft, bzw. während der Mutterschutzfrist vor oder nach der Entbindung, fallen die Mütter aus dem Anwendungsbereich des Mutterschutzgesetzes.

 Resumée des Reformentwurfs: Gut, aber nicht gut genug

Die Reform des Mutterschutzgesetzes ist gut, aber nicht gut genug. Gut ist der erweiterte Schutz in schwierigen Lebenslagen, also nach einer Fehlgeburt und bei Geburt eines behinderten Kindes. Gut ist auch, dass schwangere Frauen nicht mehr automatisch in das Beschäftigungsverbot „abgeschoben“ werden können. Das war sehr häufig der Fall bei Ärztinnen in Krankenhäusern, die ohne individuelle Prüfung nach Feststellung einer Schwangerschaft gegen ihren Willen sofort nach Mitteilung der Schwangerschaft nach Hause geschickt wurden.

Nicht gut genug ist, dass es der Gesetzgeber entgegen seiner hochgesteckten Ziele verpasst hat allen Müttern – berufsgruppenunabhängig – den gleichen Mutterschutz zu gewähren. Es macht also leider immer noch einen Unterschied ob das Baby im Bauch einer angestellt arbeitenden Mutter oder im Bauch einer selbständig oder befristet tätigen Mutter wächst. Das muss geändert werden. Vielleicht sollten die Damen und Herren Gesetzgeber einen Blick in unser Grundgesetzes werfen. Dort lässt sich nämlich ein klarer Auftrag entnehmen:

Art. 6 Abs 4 GG

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1 Kommentar

  • Antworten
    WorkingMum
    27. Mai 2016 at 10:01

    Vielen Dank für diesen tollen und umfangreichen Artikel. Ich hatte leider bei der Schwangerschaft mit meiner ersten Tochter den Fall, dass mein Arbeitgeber Ärger gemacht hat. Er dachte, er könnte mir trotz Schwangerschaft betriebsbedingt kündigen. Zum Glück hatte ich rechtliche Unterstützung und es lief dann doch alles gut.

    Trotzdem habe ich mich dann so bald wie möglich freiwillig „getrennt“. Mein jetziger Arbeitgeber ist zum Glück sehr familienfreundlich und hat mich in der zweiten Schwangerschaft toll unterstützt und ist auch bei der Rückkehr in den Beruf sehr flexibel und entgegenkommend gewesen.

    Anhand meiner Erfahrungen muss ich aber sagen, dass sich jede Frau unbedingt gut über ihre Rechte informieren sollte. Sehr gute, ausführliche Informationen gibt es zum Beispiel auch hier: https://www.betriebsrat.de/portal/betriebsratslexikon/M/mutterschutz.html
    Am besten macht man sich schon vor der Schwangerschaft schlau – denn gerade am Anfang geht es einem vielleicht nicht so gut und man hat wegen der ganzen körperlichen und psychischen Umstellung möglicherweise nicht so die Nerven für sowas. Da ist es gut, wenn man zumindest über das Nötigste schon Bescheid weiß!

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