Urteile

Mama-Mobbing, oder: Der Kinderwagen im Treppenhaus

Das alltägliche Abstellen eines Kinderwagens stellt uns häufig vor gewisse Herausforderungen. Denn egal wie schnittig die Karre ist: So ein Gefährt braucht Platz! Insbesondere für Eltern, die in Mehrfamilienhäusern wohnen, besteht – sofern weder Abstellraum noch Aufzug vorhanden sind – oftmals nur die Möglichkeit den Kinderwagen im Treppenhaus abzustellen.

Doch dort lauern Gefahren: Diebe, die den Kinderwagen, dessen Einzelteile (sehr beliebt: Bugaboo-Gestelle) oder Accessoires (sehr beliebt: Schaffelle) entwenden. Betrunkene, die sich in den Kinderwagen setzen und darin Treppen herunter fahren, oder schnell mal ein Bierchen hinein kippen (ja, das ist tatsächlich alles schon passiert).

Oder aber: Nachbarn.

Mobbing im Treppenhaus

Welches Ausmaß Meinungsverschiedenheiten zum Thema Kinderwagenparkplatz im Treppenhaus annehmen können, hat mir Annegret* erzählt. Annegret ist Mama einer 2jährigen Tochter und wohnt im zweiten Stock eines Altbaus im Herzen von Weimar. Selbstverständlich ohne Aufzug und Abstellraum, so dass sie – nichts Böses ahnend – ihren Kinderwagen regelmäßig im Windfang des großzügigen Treppenhauses abstellte.

Mit den einleitenden Worten „Na das ist ja ein guter Anfang…“ wurde Annegret kurz nach ihrem Einzug von einem ihrer Nachbarn aufgefordert, den Kinderwagen nicht mehr im Treppenhaus abzustellen. Ein anderer Nachbar gab ihr einige Tage später ebenfalls zu verstehen, dass der Kinderwagen dort nichts zu suchen habe. Zur Begründung erfolgte die Beschreibung eines skurrilen Schreckensszenarios: Angeblich sei das Haus explosionsgefährdet, was bei der Verkettung gewisser Umstände dazu führen könne, dass der Fluchtweg versperrt werde. Und zwar durch den Kinderwagen und einer darauf fallenden Tür, welche durch die Wucht einer Explosion aus den Angeln gehoben werde… Der Nachbar drohte ihr mit der Einleitung rechtlicher Schritte bei weiteren Zuwiderhandlungen. Abschließend teilte man ihr noch mit, dass eigentlich die Hausverwaltung an dem ganzen Schlamassel schuld sei. Diese müsse ihr doch eigentlich eine Ausweichwohnung besorgen, da ja hinlänglich bekannt sei, dass kleine Kinder in dem Haus nicht gerne gesehen sind…

Annegret war geschockt, ließ sich aber nicht beirren und stellte ihren Kinderwagen trotzdem weiter im Hausflur ab – mangels Alternativen blieb ihr auch nichts anderes übrig. Unangenehme Briefe folgten und einige Wochen später war der Kinderwagen plötzlich weg. Nach längerer Suche stellte sie fest, dass jemand den Wagen in den Keller getragen hatte. Die Nachbarn leugneten jegliche Beteiligung und knallten ihr, daraufhin angesprochen, die Tür vor der Nase zu. Die Situation dauerte ca. 3 Wochen an. Der Kinderwagen wurde regelmäßig „von Geisterhand“ in den Keller befördert. Annegret musste das schwere Teil täglich die Kellerteppen hochwuchten (und ihre Tochter zwischenzeitlich unbeaufsichtigt lassen). Nachdem die Situation für Annegret nicht nur physisch sondern zunehmend auch psychisch belastend wurde, informierte sie die Hausverwaltung, die kurzerhand die Presse einschaltete. Seitdem blieb der Kinderwagen im Treppenhaus stehen. Annegret hat jedoch weiterhin die Befürchtung, „… dass die Nachbarn bei der nächstbesten Gelegenheit wieder versuchen werden, mir das Leben als Mutter eines Kleinkindes schwer zu machen“.

Eltern steht grundsätzlich ein Kinderwagen-Parkrecht im Treppenhaus zu

Die Fülle an Urteilen zum Thema Kinderwagen im Treppenhaus zeigt: Annegrets haarsträubende Erlebnisse sind kein Einzelfall. Doch wie ist das nun? Darf ich einen Kinderwagen einfach so im Treppenhaus abstellen?

Eine konkrete gesetzliche Grundlage, die Eltern ein, ich nenne es mal „Kinderwagen-Parkrecht“ im Treppenhaus einräumt, gibt es leider nicht. Daher gilt, wie leider so oft, das Juristen-Mantra: Es kommt darauf an…

Zunächst einmal: Jedem Mieter steht ein Nutzungsrecht an gemeinsam genutzten Flächen, also auch am Treppenhaus zu. Das Abstellen von Gegenständen ist davon allerdings nicht automatisch umfasst – denn eigentlich dient das Treppenhaus dem Zugang zu den einzelnen Wohnungen. Ob Blumentöpfe, Schuhregale, Fahrräder oder Kinderwagen – entscheidend ist immer eine Interessenabwägung im Einzelfall.

Beim Abstellen eines Kinderwagens fällt die Interessenabwägung glücklicherweise häufig zugunsten der Eltern aus. Das haben wir Artikel 6 Abs. 1 unseres Grundgesetzes zu verdanken, wonach Familien unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung stehen. Das Amtsgericht Düsseldorf urteilte dazu wie folgt:

„Das Abstellen eines Kinderwagens im Hausflur oder auf entsprechenden Gemeinschaftsflächen ist vom Wohngebrauch gedeckt, wenn die Fläche hierzu geeignet ist und die Mieter auf diese Abstellmöglichkeit angewiesen sind“ (AG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2013 – 22 C 15963/12).

Es gilt daher: Ein Kinderwagen-Parkrecht besteht regelmäßig dann, wenn keine anderweitige Abstellmöglichkeit zur Verfügung steht und das Treppenhaus als Abstellfläche geeignet ist. Letzteres scheidet zum Beispiel dann aus, wenn der Kinderwagen Briefkästen oder aber einen Fluchtweg versperrt, also häufig bei engen Treppenhäusern. Bezüglich der nutzbaren Breite kann man sich an den Bestimmungen der Landesbauordnungen orientieren, häufig ca. 0,80 – 1,00m – je nach Gebäudeklasse.

Wenn die genannten Voraussetzungen vorliegen, müssen Vermieter (und kinderfeindliche Nachbarn!) gewisse Unbequemlichkeiten und Beeinträchtigungen akzeptieren. Wie hießt es so schön in einem Kinderwagen-Parkplatz-Urteil, auf das ich in meiner Recherche gestoßen bin:

„Kinderfreundlichkeit der Gesellschaft ist deshalb nicht nur etwas, was in feierlichen Reden eingefordert werden darf, Kinderfreundlichkeit ist im täglichen Leben, in der täglichen Praxis auch zu leben. Die Gesellschaft (…) hat daher die Verpflichtung, Müttern keine unnötigen Belastungen aufzuerlegen, d.h. ihnen das Leben nicht schwerer zu machen, als dies unbedingt notwendig ist, insbesondere wenn Rechte Dritter nicht nachhaltig beeinträchtigt werden“

( AG Winsen, Az. 16 C 602/99).

* Der Name wurde geändert.

SMART MAMA TIPP:

Lasst euch beim Abstellen eures Kinderwagens nicht von einem anderslautenden Mietvertrag oder der Hausordnung verunsichern. Sofern diese regeln, dass keine Gegenstände im Hausflur abgestellt werden dürfen, ist das nicht immer als generelles Verbot zu werten – auch hier muss eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erfolgen.

Zum Schutz vor Gefahren im Treppenhaus könnt ihr den Kinderwagen auch versichern. Achtung: Bitte checkt, ob eure Hausratversicherung auch Kinderwagen ersetzt, die außerhalb der Wohnung abgestellt werden!

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6 Kommentare

  • Antworten
    wioletta
    11. Juni 2014 at 22:01

    Ein Nervaufreibendes Thema kommt mir sehr bekannt vor habe auch solche egoistische Nachbarn…
    mein Kinderwagen stand jeden Morgen vor den Mülltonnen…. Zum glück sind nicht alle Nachbarn so. Ein lieben Nachbar ist dies auch nicht entgangen. Er hat dein deftigen Brief an alle geschrieben woraufhin sich keiner mehr beschwert hat. Ich bin ihm dafür sehr dankbar aber von zwei Weibern werde ich auch immer schief angeschaut. Ich weiß nicht was die Leute haben… reviermarkierer!

  • Antworten
    Mara
    20. August 2014 at 10:07

    Hallo,

    was aber kann man machen, wenn eine Familie ihren Kinderwagen (trotz ebenerdigem Kinderwagen-Raum daneben) immer im Treppenhaus abstellt und Weg/Briefkasten/Treppe blockiert? Wie gesagt, es gibt einen ebenerdigen, schönen, trockenen, beleuchteten Kinderwagenraum.

    • Antworten
      smart-mama
      22. August 2014 at 9:09

      Liebe Mara,

      in diesem Fall würde eine Interessenabwägung vermutlich ergeben, dass der Kinderwagen in diesem Raum abgestellt werde muss. Wenn es eine adäquate Abstellmöglichkeit gibt muss der Kinderwagen in der Regel auch dort geparkt werden.

      LG
      Sandra

  • Antworten
    Katja
    17. Dezember 2014 at 12:14

    Hallo Sandra,

    erst einmal ein großes Lob für Deinen Blog: Ich finde ihn klasse!!!
    Zum Kinderwagenthema im Hausflur habe ich auch eine Frage:
    Wir haben einen relativ großen Eingangsbereich mit kleiner Nische, in der wunderbar der Kinderwagen hineinpasst, ohne dass er einen Weg oder Zugang versperrt.
    Allerdings ist es von der Hausverwaltung ausgehend verboten (ein Schreiben hängt aus), da es wegen der Brandschutzgefahr nicht zulässig ist, den Kinderwagen dort zu parken,
    da theoretisch ein Brand durch den Kinderwagen ausgelöst werden könnte.
    PS: Es gab einen Brand in einem Mehrfamilienhaus in der Nachbarschaft und daraufhin gaben Sie dieses Schreiben heraus.
    Ist diese Begründung rechtlich in Ordnung?

    Viele Grüße
    Katja

  • Antworten
    Mari
    15. September 2015 at 12:25

    Guten Tag,

    gerade bin ich mit diesem Thema beschäftigt, bitte nicht böse sein. Wir sind gerade umgezogen und im Treppenhaus haben wir wirklich wenig Platz. Hinter der Eingangtür steht der Kinderwagen von Nachbarin, dadurch bin ich verhindert in den Keller zu gehen, bzw. ich kann mein Fahrrad nicht in Keller abstellen. Somit muss ich jedes mal zuerst den Kinderwagen bei den Briefkasten abstellen, dann Fahrrad in den Keller bringen. Das muss ich jeden Tag 2 bis 4 mal machen. Ich möchte nun dass Sie auch andere Sicht der Dinge sehen. Im Keller (es sind 7 Stufen tiefer) stehen private Keller und Gemeinschaftskeller. Ich verstehe auch, dass es schwierig ist, fuer alle recht zu machen.

  • Antworten
    SAL
    21. Januar 2016 at 3:31

    Hallo. Nach längerem Wälzen im Web bin ich nun auf diesen Block gestoßen und glaube, möglicherweise hier eine hilfreiche Antwort erhalten zu können, da mich ein privater Fall seit nun einem Jahr beschäftigt, und die Hausverwaltung mich nicht unterstützt.
    2015 im Frühjahr bin ich Mama geworden. Ich wohne im Erdgeschoss. Zwischen Hauseingang und meiner Wohnung sind aber nochmal 4 Stufen, womit somit das Treppenhaus beginnt. Wenn man das Haus betritt ist links eine Fläche für Kinderwagen, welche seit Jahren unter den jeweiligen neuen Müttern selbstverständlich abwechselnd frei gemacht wurde. Nach den 4 Stufen gibt es einen Übergang der rechts zum weiteren Verlauf der Treppen führt/ins 1.OG, und der Zugang zu 3 Wohnungen im EG. Geteilt in links, mitte und rechts. Ich nutze die mittlere Wohnung, welche vom Hausflur aus nochmal etwas weiter hinten liegt. Mein Kinderwagen steht ganz hinten an der Wand, aber neben meiner Wohnungstuer und behindert absolut keinen. Auf der eben beschriebenen Fläche mach den 1. 4 Stufen zum EG, weiter ins 1. OG, stand bis Herbst ein Buggy. Somit stehen 3 Wagen im Haus. Einer neben Hauseingang links innen für die, die ganz frisch geboren haben, einer die 1. Ebene zum Übergang zwischen EG zum OG, aber mit verfügbaren Platz dadurch nurnoch von 40-50 cm zum laufen, was aber alle Mieter akzeptieren, und meiner im EG versteckt im separaten Zugang zur Wohnung an der Wand hinten-quer. Nun hat die Mutter mit dem Buggy(Kind knapp 2 Jahre), ein Baby bekommen. Dieses ist nun 3 Monate alt. Den gewünschten Platz ganz unten hat sie nicht erhalten, da vor ihr eine Frau ein 2. Baby bekam(2 Monate eher). Aber sie ist körperlich robuster als ich und hat täglich ihren Mann zur Hilfe. Ich bin sehr schlank und klein, aber staemmte es trotzdem an ihrem Buggy vorbei die 4 Stufen runter, bis raus. Ich lebe seit 5 Jahren hier, und war vor meinem Baby beruflich 2 Jahre nicht da. Als ich wiederkam, lebte sie bereits ca. 1 Jahr in einer 4 Raumwohnung im Haus. Es gab nie Probleme. Und wir sind ein sehr kinderreiches Haus Mehrfamilienhaus. Nun ist es leider so, ohne das etwas vorfiel, dass ihr Verhalten in Mobbing und Verleumdeungen übergehen, Hetze an anderen Mietern gegenüber versucht wird, und ich mehrmals beklaut wurde nachts. Seitdem ich sie bat, eine Lösung mit mir zu finden….Denn: durch ihr Baby ist der Buggy nun ausgetauscht wurden durch ein Kombikinderwagen-Modell ABC Design(sehr sperrig und breit)-, ich besaß ein -Modell Stokke Xplory-, und kam überall durch. Nun erwarte ich aber ebenfalls ein 2 Kind. Mein Gestell habe ich verkauft und getauscht in das -Modell Stokke Crusi Chassis-. Mit Geschwisterfunktion unten. Eine perfekte Lösung, ohne das es an der Breite etwas ändert. Im April 2016 erwarte ich mein 2. Baby. Bis dahin kann das 1. vielleicht laufen. Diese Mutter sieht den Wechsel und entscheidet Mobbing zu betreiben. Wenn mir etwas nicht passt, soll ich ausziehen. Dabei habe ich sie lediglich darauf hingewiesen das ich im April mit meinem Wagen nicht durchkommen werde, um täglich aus dem Haus zu kommen. Nicht weil ihrer dort steht, sondern auch WIE er steht. Ich bat auch um Erlaubnis ihn anzuheben täglich, um durchzukommen. Das löste nochmehr Reaktion aus. Zudem bin ich chronisch krank mit der Lunge, was ich aber ihr gegenüber nicht rechtfertige. Will sagen, ich verzichte schon auf den Platz ganz unten, da ich durch diese Situation und das Mobbing/das Beklagen, meinen Wagen nichtmehr im Auge haette, aber ich bin schon jetzt total geschafft und angespannt was dann nach Geburt passiert, da die Hausverwaltung nix unternimmt. Diese wissen von gesundheitlichen Defiziten, weshalb ich im EG wohne. Sie meinen es muss man untereinander klären. Aber dies geht nicht. Und ich möchte mich nicht so aufspielen wie diese Person. Rechtliche Schritte einzuleiten überfordert mich derzeit. Mein Partner ist Soldat, und nur 2 mal im Monat da. Konnte ebenfalls nix auslösen. Ihr Mann steht im wortlos hinter ihr, aber ich habe ihn noch nie reden hören. Es gab nie Probleme. Aber nun stehe ich vor einem Problem im Alltag womit es mir sehr schlecht geht. Haben Sie einen lukrativen Tipp, eine echte Idee? Wo sind meine Rechte in diesem Fall? Es belastet mich sehr. Und ich möchte meine Babys und den Alltag demnächst genießen können. Dankeschön

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