Urteile

Das Betreuungsgeld ist tot. Muss ich es jetzt zurückzahlen? 5 brennende Fragen nach dem Bundesverfassungsgericht-Urteil

Gestern war wieder so ein typischer „Mama-Taxi-Tag“. Kennt ihr das? Man sitzt gefühlt den ganzen Tag im Auto, um die Kinder an verschiedenen Orten in der Start abzugeben und um sie dann – nach einem viel zu kurzen Arbeitstag – wieder einzusammeln.

Ich saß ca. 3,5 Stunden bei glühender Hitze im Auto: Von Weissensee (Kita, Kind 2) ging es nach Tiergarten (Tennisplatz, Kind 1) und dann über Kreuzberg nach Friedrichshain (Mandantentermin). Danach machte ich einen kurzen Abstecher in den Prenzlauer Berg (geflickte Hosen von Kind 1 beim Schneider abholen), um dann zurück in den Tiergarten (Tennisplatz, Kind 2) und danach wieder nach Weissensee (Kita, Kind 1) zu fahren.

Das Anstrengende an diesen Fahrten: Die unzähligen Ferienbaustellen und „Radio Teddy“. Das Positive: Man hat zwischendurch Zeit zum Telefonieren oder zum Grübeln – zum Beispiel über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das gestern das Betreuungsgeld gekippt hat. Kurz nachdem mich die Nachricht irgendwo hinter der Oberbaumbrücke ereilte, brummte auch schon das Telefon und eine aufgeregte Freundin meldete sich: „Hilfe, Sandra, muss ich jetzt das Betreuungsgeld zurückzahlen?“. Ich erbat mir etwas Zeit zum Grübeln – und um das Urteil zu lesen.

Als ich das Urteil dann abends – mit Füßen im Planschbecken und Calippo-Cola in der Hand – studierte, bemerkte ich schnell, dass bei vielen Eltern nicht nur die bereits aufgeworfene, sondern noch weitere spannende Fragen aufkommen dürften:

Bekomme ich nach dem Urteil eigentlich weiter mein Betreuungsgeld ausgezahlt? Was ist mit meinem Antrag, den ich vor 3 Wochen gestellt habe? Und: Was kippt als nächstes? Etwa das Elterngeld?

Später, als die Kinder schliefen, begann ich mit Hilfe einer Packung Schokokekse zu recherchieren. Die Fragen und Antworten findet ihr gleich, aber jetzt erst einmal ganz kurz zum Urteil:

Warum wurde das Betreuungsgeld „gekippt“?

Das Bundesverfassungsgericht stellte nicht etwa fest, dass das Betreuungsgeld gegen das Grundgesetz verstößt, sondern ließ es gleich aufgrund nicht vorhandener Gesetzgebungszuständigkeit über die Klippe springen: Der Bund, der Ende 2012 das Betreuungsgeld einführte, hatte dazu kein Gesetzgebungsrecht. Er hätte nur dann das Betreuungsgeld einführen dürfen, wenn es zur „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ oder zur „Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse“ erforderlich gewesen wäre (Art. 72 Abs. 2 GG). Und daran fehlte es nach Auffassung der Richter. Unter anderem deswegen, weil sich die Lebensverhältnisse in den Ländern nicht „in erheblicher, das bundesstattliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise“ auseinander entwickelt haben. Dass es bereits in einigen Bundesländern ähnliche staatliche Leistungen gibt (z.B. das Bayrische Landeserziehungsgeld) und in anderen nicht, ändert nichts daran – ebensowenig dass zwischen den Ländern große Unterschiede hinsichtlich der Verfügbarkeit von Kitaplätzen bestehen. Weitere Details erspare ich euch. (Wenn ihr mehr dazu lesen wollt, findet ihr hier eine Zusammenfassung des Urteils und  hier einen Artikel zum Schmunzeln von meiner Anwalts- und Bloggerkollegin Juramama.)

Die Richter kamen somit zu dem Ergebnis, dass die Betreuungsgeld-Regelungen (§§ 4a – 4d des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes) nichtig sind. Ausserdem warfen sie insgesamt 16 Bälle in Richtung der einzelnen Bundesländer. Betreuungsgeld wird es in Zukunft nämlich nur noch dann geben, wenn die Länder auch den Ball fangen und ein „Landesbetreuungsgeld“ einführen.

Offen gelassen hat das Bundesverfassungsgericht allerdings was mit den ca. 400.000 Betreuungsgeld-Anträgen passiert, die bereits gestellt wurden – oder noch beschieden werden müssen. Damit sind wir jetzt beim wirklich spannenden Thema:

5 brennende Betreuungsgeld-Fragen, die viele Eltern beschäftigen werden

#1 – Muss ich das bereits gezahlte Betreuungsgeld zurückzahlen?

Keine Angst, Betreuungsgeld, dass bisher ausgezahlt wurde muss nicht zurückgezahlt werden (es sei denn es wurde durch falsche Angaben „erschlichen“ – wovon ich jetzt natürlich nicht ausgehe…). Jeder, der bisher Betreuungsgeld erhalten hat genießt „Vertrauenschutz“.  Darauf hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil auch ausdrücklich hingewiesen und die entsprechenden Normen genannt (§ 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, § 45 Abs. 2 SGB X).

#2 – Bekomme ich weiter bewilligtes Betreuungsgeld ausgezahlt?

Ja, davon ist auszugehen. Wer einen wirksamen Betreuungsgeld-Bescheid in den Händen hält, der sich auf zukünftige Betreuungsgeld- Zahlungen erstreckt, genießt ebenfalls „Vertrauensschutz“. Und, es gibt ein persönliches Versprechen von Frau Schwesig, dass auf der Webseite des Familienministeriums zu lesen ist: „Außerdem werde ich nach einer Lösung suchen, damit Familien, die das Betreuungsgeld bereits beziehen, es bis zum Ende bekommen.“

#3 – Was geschieht mit bereits gestellten Anträgen?

Die Behörde kann nur dann den OK-Stempel auf den Bescheid drücken, wenn für die Bewilligung eine Rechtsgrundlage besteht. Diese ist weggefallen, da die Betreuungsgeld-Regelungen seit gestern null und nichtig sind. Zum jetzigen Zeitpunkt dürfen die Beamte also streng genommen keine positiven Bescheide mehr erstellen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es für „schwebende“ Anträge Übergangsvorschriften geben wird.

#4 – Kann ich jetzt noch einen Antrag auf Betreuungsgeld stellen?

Theoretisch kann man das noch tun, aber das ist Zeitverschwendung. Die Behörden werden den Antrag unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wegen mangelnder Rechtsgrundlage ablehnen. Erst dann, wenn neue Gesetze verabschiedet worden sind, kann Betreuungsgeld beantragt werden. Dann wird es aber auch anders heißen. Zum Beispiel so: „Betreuungsgeld des Freistaates Bayern“, oder „Hessisches Landesbetreuungsgeld“.

#5 – Kippt als nächstes das Elterngeld?

Das ist eine ganz berechtigte Frage, denn dabei handelt es sich ja auch um eine finanzielle Leistung für Eltern. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu schon in weiser Voraussicht Stellung genommen und deutlich gemacht, dass das Elterngeld nicht mit dem Betreuungsgeld verglichen werden kann. Der Grund: Das Elterngeld ist – alleine schon der Höhe nach – eine sehr viel bedeuterende Leistung, die Einfluss auf den Arbeitsmarkt hat. Würde es in einzelnen Bundeländern fehlen, wäre die Wirtschaftseinheit gefährdet. Hier gibt es also Entwarnung. Wäre ja auch schade – nachdem das Elterngeld gerade erst reformiert worden ist.

Habt ihr noch weitere Fragen die euch zum Thema Betreuungsgeld beschäftigen? Und was haltet ihr eigentlich vom Betreuungsgeld an sich? Ich freue mich über eure Kommentare, denn: In den nächsten Tagen sitze ich wieder lange im Auto und habe Zeit zum Grübeln 😉

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15 Kommentare

  • Antworten
    MuttiJule
    23. Juli 2015 at 12:51

    Ich verstehe den Sinn vom Betreuungsgeld einfach nicht. Eltern die es sich „leisten“ können, das Kind selbst zu betreuen, werden dafür auch noch belohnt. Eltern die arbeiten gehen müssen, um einen gewissen Lebensstandart aufrecht erhalten zu können, werden bestraft, weil sie auch noch für die Betreuung ihrer Nachkömmlinge in die Tasche greifen dürfen.
    Meiner Meinung nach sollte der Kita- und Hortbesuch gebührenfrei sein. Das wäre eine Entlastung für JEDE Familie.

    • Antworten
      smart-mama
      15. August 2015 at 3:25

      Liebe Muttijule, das Betreuungsgeld wurde damals im Zusammenhang mit der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz ab dem 1. Lebensjahr eingeführt und sollte Familien honorieren, die den Kitaplatz ab dem 1. Lebensjahr und damit letztendlich auch ein staatliches Angebot nicht in Anspruch nehmen. Viele Grüße, Sandra

  • Antworten
    Kinder an die Macht
    24. Juli 2015 at 10:52

    Wir fordern die sofortige Wiedereinführung des Betreuungsgeldes!
    Da das Bundesverfassungsgericht den staatlichen Zuschuss, auf Bundesebene, für verfassungswidrig erklärt hat, fordern wir die sofortige Wiedereinführung auf Landesebene im gesamten Bundesland, von allen 16 Bundesländern.

    https://www.openpetition.de/petition/online/wiedereinfuehrung-des-betreuungsgeldes

    • Antworten
      smart-mama
      15. August 2015 at 3:20

      Müsstet ihr dann nicht eigentlich 16 Einzelpetitionen auf Basis der einzelnen Landesverfassungen einleiten?

  • Antworten
    Frl.Null.Zwo
    24. Juli 2015 at 16:54

    Also meine Fragen hast Du alle beantwortet 🙂
    Was das Betreuungsgeld an sich angeht:
    Ich fand es super, hat es bei uns die Zeit von Elterngeldende bis zum KiTa- Start ein wenig erleichtert. Es gibt auch Familien, die die Betreuung des Kindes nicht durch einen öffentlich geförderten Platz bewerkstelligen wollen oder gar müssen. Zwar ist die Summe von 150E wirklich nicht die Welt, aber spürbar und sicherlich dabei eine Hilfe.

    Aus der Diskussion um Herdprämie und frühe Förderung durch KiTas/ TaMus halte ich mich raus. Ich glaube, dass das Betreuungsgeld in sozial schwachen Familien (also die Familien in denen die Kinder leben, die von einer aushäusigen Betreuung durchweg profitieren) kein großer Anreiz ist, das Kind trotz möglichem KiTa- Platz zuhause zu betreuuen. Die KiTa- Plätze für diese Familien dürften eh sehr günstig bzw kostenlos sein.

  • Antworten
    Marianne
    28. September 2015 at 21:57

    Hallo,

    Wir haben einen Antrag gestellt, dann wurde das Betreuungsgeld gekippt und wir haben nichts mehr gehört. Soweit so gut. Zwei Monate später als die Zahlung eigentlich in Kraft treten sollte, haben wir ja sowieso nicht mehr damit gerechnet, haben wir die Zahlung doch erhalten. Jetzt schon zwei Monate. Aber wir haben niemals einen schriftlichen Bescheid erhalten? Müssen wir zurück zahlen?

    • Antworten
      smart-mama
      28. September 2015 at 23:55

      Liebe Marianne,
      du genießt Vertrauensschutz! Wenn du weiterhin Betreuungsgeld beziehst, dann darfst du es grundsätzlich auch behalten. Freiwillig zurückzahlen ohne Bescheid, Zahlungsaufforderung o.ä. musst du auf jeden Fall nicht! Das mit dem Bescheid ist tatsächlich seltsam…normalerweise hättest du einen erhalten müssen. Vielleicht kommt er noch? Falls ja, würde mich echt interessieren was bzgl. des Urteils des BverfG darin steht. LG, Sandra

  • Antworten
    Agnes
    2. Oktober 2015 at 22:23

    Hallo,
    Und was passiert , wenn die Mama mittlerweile angefangen hat zu arbeiten?! Wird das Betreuungsgeld automatisch gestoppt, oder muss man selber absagen?
    Wenn abgesagt werden muss, wo?!
    Danke
    LG, Agnes

    • Antworten
      smart-mama
      3. Oktober 2015 at 23:08

      Liebe Agnes, wenn sich etwas an den Lebensumständen ändert und die Voraussetzungen für das Betreuungsgeld nicht mehr vorliegen, musst du das von dir aus mitteilen und zwar gegenüber der Behörde, die den Betreuungsgeld-Bescheid ausgestellt hat. Wenn du anfängst zu arbeiten besteht der Anspruch aber weiterhin. Mehr dazu hier: https://www.smart-mama.de/die-10-wichtigsten-infos-zum-betreuungsgeld/ LG, Sandra

  • Antworten
    Anja Kemper
    7. Oktober 2015 at 20:36

    Hallo!
    Wir hatten den Antrag 3 Wochen vor dem Urteil abgegeben und fest mit dem Geld gerechet/geplant- vor allem weil mir am Telefon von der Elterngeldstelle gesagt worden ist das auch wenn das Betreuungsgeld gekippt wird es eine bestimmte Frist/Geburtsjahr geben wird die für alle gelten.
    Nun haben wir einen negativen Bescheid erhalten! Gegen diesen können wir innerhalb von 4 Wochen Einspruch erheben! Ist das sinnvoll bzw. wie sind unsere Chancen?

    • Antworten
      smart-mama
      8. Oktober 2015 at 11:25

      Liebe Anja, du kannst es auf jeden Fall versuchen, Einspruch erheben und sich auf den Vertrauensschutz berufen. Die Informationen von der Elterngeldstelle sind mir neu, frag doch dort noch einmal nach auf welche Rechtsgrundlage sie sich berufen. LG, Sandra

  • Antworten
    Stephan
    9. Oktober 2015 at 13:59

    Hallo!
    Was ist, wenn der Antrag auf Betreuungsgeld aufgrund des Poststreik erst nach der Urteilsverkündung bei der Behörde eingegangen ist und der Antrag deswegen abgelehnt wird? Kann man dann der Ablehnung widersprechen, da die Frist nur aufgrund Höherer Gewalt nicht eingehalten werden konnte?

    Müssten nicht alle Anträge, die vor dem Urteil eingegangen sind, angenommen werden?

    Liebe Grüße,
    Stephan

    • Antworten
      smart-mama
      5. November 2015 at 0:14

      Lieber Stephan, also Betreuungsgeld wird wohl gezahlt, wenn der Antrag vor dem Urteil eingegangen ist. Geht der Antrag unverschuldet später ein und wird er daraufhin abgelehnt sollte man auf jeden Fall Widerspruch einlegen und die Situation schildern, ggf. einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand stellen. LG, Sandra

  • Antworten
    Tanja
    16. November 2015 at 22:24

    Hallo!
    Habe den Antrag erst nach dem Urteil abgegeben und der wurde natürlich abgelehnt. Lohnt sich ein Widerspruch? Finde es nicht richtig, dass in anderen Bundesländern gezahlt wird…

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