Kinderrechte Kita & Schule

Au Backe! Der Zahnarzt kommt in die Kita

Als ich meinen kleinen Mann neulich in der Kita abgeholt habe, war mal wieder einer dieser netten Elternbriefe in seinem Fach. DIN A 4, 3-fach gefaltet und – passend zur vorösterlichen Zeit  – bedruckt mit niedlichen Häschen die Ostereier bemalen. Wie immer gab es viele Termine, die unterschiedliche Reaktionen in mir hervorriefen: Diverse Schließtage (Oma muss ganz dringend kommen!), Arbeitseinsatz im Kita-Garten (Mist, diesmal sollte ich mitmachen!), Ostern in der Kita (Oh nein, ich muss ein Osterlamm backen!). Und da war dann noch etwas: Der Zahnarzt komt in die Kita (Hilfe, wie bringe ich das meinem Sohn bei?).

Wie befürchtet gab es lautstarken Protest, denn mein Sohn erwartet nichts Gutes von Menschen in weißen Kitteln, die ihm mit kleinen Werkzeugen in den Mund schauen möchten (es sei denn eine sehr große oder sehr süße Belohnung ist in Aussicht). Diese kleine Auseinandersetzung nahm ich zum Anlass genauer zu über den Sinn oder Unsinn ärztlicher Vorsorgeuntersuchungen in der Kita nachzudenken und zu recherchieren welche gesetzlichen Grundlagen dazu überhaupt existieren.

Gesundheitsvorsorge in der Kita – muss das denn unbedingt sein?

Eigentlich ist das Angebot zahnärztliche Kontrollen in der Kita durchzuführen keine schlechte Idee, denn es gibt ja sicherlich auch Kinder deren Eltern nicht regelmäßig zum Zahnarzt gehen. Der eine oder andere Zahn konnte so sicherlich gerettet werden. Bestimmt gibt es auch Kinder die sich lieber dann von einem Zahnarzt untersuchen lassen, wenn daraus ein kollektives Kita-Happening wird. Andererseits verursacht der Gedanke an behördlich angeordneten (zahn)ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen bei mir ein gewisses Unbehagen, denn immerhin erfolgen dabei körperliche Eingriffe an meinem Kind, die sich meiner Kontrolle entziehen. Wer garantiert mir, dass die Untersuchung so nett abläuft wie in dem aktuellen Lieblingsbuch meines Sohnes „Vom Jörg der Zahnweh hatte“ *? Viel lieber möchte ich doch während dieser Untersuchungen bei meinem Kind sein und auch selbst den Arzt meines Vertrauens aussuchen. Und noch so ganz nebenbei: Ist es nicht eine Verschwendung von Steuergeldern, wenn überflüssige Untersuchungen stattfinden weil ich dieses Jahr schon zwei Mal beim Zahnarzt und bei allen U-Untersuchungen war?

(* Von Hanna Günzel und Günter Schmitz, erschienen im Beltz-Verlag – wenn ihr die schöne Geschichte mit den süßen Bildern (siehe das Foto oben) mit eueren Kindern lesen möchtet.)

Was steht in unseren Kita-Gesetzen?

In meinem Beitrag „Die Kitagesetze der Länder“ habt ihr ja schon gesehen, dass jedes Bundesland sein eigenes Kita-Gesetz Süppchen kocht. Und so ist es auch beim Thema Gesundheitsvorsorge. In  einigen Bundesländern existieren keine Regelungen zur Gesundheitsvorsorge (Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein) manche verlangen nur ein Attest bzw. den Nachweis über die letzte U-Untersuchung bei der Aufnahme in die Kita (Bayern, Baden-Württemberg). Strenger geht es in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu. Hier sehen die Kitagesetze eine jährliche „zahnärztliche Reihenuntersuchung“, weitere ärztliche Vorsorgeuntersuchungen sowie teilweise eine Prüfung des Impfstatus durch die zuständigen Behörden vor. Ich zitiere euch einmal das Berliner Kitagesetz (§ 9 (2) KiTaFöG)

„ 1Der öffentliche Gesundheitsdienst führt in den Tageseinrichtungen und Kindertagespflegestellen für alle Kinder zahnärztliche Reihenuntersuchungen und in der Altersgruppe der dreieinhalb- bis viereinhalbjährigen Kinder eine einmalige ärztliche Untersuchung auf Seh- und Hörstörungen sowie motorische und Sprachauffälligkeiten und eine Überprüfung des Impfstatus durch, soweit dies nicht auf Grund anderer Maßnahmen der Vorsorge entbehrlich ist. 2Er führt bei Bedarf in Ergänzung anderer Vorsorgeangebote vorzugsweise nach sozialkompensatorischen Kriterien weitere Untersuchungen durch. (…)“

Ärztliche Untersuchungen in der Kita – nur mit meiner Einwilligung!

Nur vereinzelt weisen einige Kita-Gesetze darauf hin dass diese Untersuchungen freiwillig sind bzw. eine Einwilligung der Elternerforderlich ist, die Erziehungsberechtigten dabei anwesend sein dürfen und über die Vorsorgeuntersuchungen informiert werden. Geht in diesen Fällen die staatliche Einmischung nicht zu weit – insbesondere wenn man bedenkt, dass ärztliche Untersuchungen grundsätzlich einer Einwilligung der Eltern bedürfen und andernfalls evtl. der Tatbestand der Körperverletzung verwirklicht sein kann?

Nachdem ich alle Pros und Contras in die Waagschale geworfen und das Berliner Kitagesetz gelesen hatte entschloss ich mich schließlich dazu meinen Sohn künftig von allen ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen in der Kita fernzuhalten.

SMART-MAMA TIPP

Euch geht es so wie mir und ihr seid nicht mit ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen eurer Kinder in der Kita einverstanden? Dann gilt die Devise: Klare Verhältnisse schaffen! Es kann nämlich durchaus sein, dass ihr bereits eine Einwilligung erteilt habt (zum Beispiel durch Unterzeichnung eures Kitavertrages). Verfasst einfach einen Dreizeiler an die Kita dass ihr ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen sowie jeglicher Datenübermittlung in diesem Zusammenhang nicht zustimmt und etwaige, bisher erteilte Einwilligungen widerruft (bitte von beiden Elternteilen unterzeichnen lassen, wenn beide sorgeberechtigt sind).

So, jetzt bin ich mal gespannt: Was denkt ihr über Kita-Vorsorgeuntersuchungen? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Und wie fanden es eure Kinder?

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5 Kommentare

  • Antworten
    Kirsten
    4. Juni 2014 at 21:38

    Ja, mit dem Zahnarzt in der Kita hab ich mich auch schon mal in meinem Blog beschäftigt. Da ich nicht immer garantieren kann, dass jedes meiner Kinder jedes halbe Jahr (ab welchem Alter?) beim Zahnarzt ist, finde ich die Untersuchung an sich nicht so schlimm – aber gut zu wissen, dass man weiterhin die Entscheidungsfreiheit hat.

    Zum Thema Entscheidungsfreiheit und sich in der Kita nicht alles bieten zu lassen, hatte ich schon mal den Fall „U-Heft“: Meine Kita-Leitung ging ganz selbstverständlich davon aus, dass niemand etwas dagegen haben könnte, sein U-Heft (bzw. das seines Kindes) in der Kita zur Anmeldung auszuhändigen und die letzte Untersuchung kopieren zu lassen. Das seh ich dann doch etwas anders: http://hausfrau-und-mutter.blogspot.de/2013/05/durfen-die-das-datenschutz-vs-u-heft.html

    • Antworten
      smart-mama
      4. Juni 2014 at 23:10

      Liebe Kirsten,

      danke für Deinen Kommentar! Auch am Beispiel Deines Berichtes über das Untersuchungsheft zeigt sich, das Eltern rund um das Thema Gesundheitsvorsorge in der Kita häufig nur mangelhaft informiert werden.

      Wie es der Zufall will wurde heute auch in unserer Kita ein Schreiben des Gesundheitsamtes verteilt… Darin wurden die Eltern aufgefordert, das Impfbuch und das U-Heft zur Einsicht zu hinterlegen, wenn der Gesundheitsdienst kommt. Abschließend erfolgte folgender Hinweis: „Die Angaben sind freiwillig. Sie können die Unterlagen auch im verschlossenen Umschlag in der Kita abgeben. Gegebenenfalls erfolgt eine körperliche Untersuchung.“ Nett immerhin die Aufklärung, dass die Angaben freiwillig sind. Allerdings habe ich einen Hinweis dazu vermisst, dass auch die Untersuchung freiwillig ist. Das kann so einfach nicht sein. Dafür ist das Thema zu wichtig.

      Ich bin sehr froh, dass auch Du darüber in Deinem Blog berichtet hast!

      Viele Grüße
      Sandra

  • Antworten
    Stefanie
    8. Juni 2014 at 19:56

    Hmm, also für mich klingt das ehrlich gesagt nach Querulantentum einer Helikoptermutter. Das Kind ist ja nicht mit fremden Personen allein und notfalls kann man ja auch anwesend sein. Ich gehe mit meinem Sohn regelmäßig zum Arzt, trotzdem finde ich die Untersuchung in der Krippe und dass alle Kinder daran teilnehmen, sehr wichtig. Ich erinnere mich noch gut an diese Untersuchung, als ich ein Kind war. Die Kinder, die Probleme mit den Zähnen hatten, bekamen Briefe mit nach Hause, die unterschrieben wieder mitgebracht werden mussten. Es handelte sich ausschließlich um Kinder aus problematischen Familien. Ich denke, Helikoptermütter sollten nicht aus falscher Fürsorge (eigentlich geht es doch nur um Kontrolle) solche Untersuchungen in Frage stellen, von denen benachteiligte Kinder profitieren.

    Liebe Grüße
    Stefanie

    • Antworten
      smart-mama
      19. Juni 2014 at 22:47

      Liebe Stefanie!

      Sicherlich können die Untersuchungen auch einen wertvollen Beitrag zu der Gesundheit unserer Kinder beitragen. Auch ich habe in unserer Kita von einem Fall gehört, bei dem der Gesundheitsdienst erkannt hat, dass ein Kind unter einer sehr starken Sehschwäche leidet.

      Trotzdem bin ich der Meinung, dass Eltern über ihre Rechte aufgeklärt werden sollten. Bei den Informationen des Gesundheitsdienstes die ich gelesen habe, wurde noch nicht einmal darauf hingewiesen, dass die Eltern bei den Untersuchungen anwesend sein dürfen.

      Liebe Grüße
      Sandra

  • Antworten
    Mkay
    26. Februar 2020 at 8:19

    Ich sehe das, wie du. Wir haben uns extra einen super netten Kinderzahnarzt gesucht, weil mein Mann Angstpatient ist. Außerdem möchten wir, dass bei Untersuchungen einer von uns dabei ist.
    Wer da gleich die Helikopter-Keule rausholt hat einfach nicht verstanden, was Helikopter-Eltern wirklich sind.
    Vielen Dank jedenfalls für den Artikel!

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