Vermischtes

Das TV-Duell: Eine Vollkatastrophe für Deutschlands Familien

Ich bin gespannt auf das Kanzlerduell, fast schon ein bisschen aufgeregt, als ich kurz nach 20 Uhr den Fernseher einschalte und eine Dose Erdnüsse öffne. Nervennahrung, die ich im obersten Küchenschrank vor den Kindern versteckt hatte.

 

Was werden die beiden Kandidaten wohl zum Thema Familienpolitik sagen?

Welche der vielen verlockenden Leckerlis, mit denen gerade im Wahlkampf um sich geschmissen wird, schafft es auf die Bühne der beiden Politiker, die gerne Kanzlerin oder Kanzler von Deutschland werden wollen?

Das Baukindergeld oder die Familienarbeitszeit? Die Erhöhung des Kindergeldes? Steuerliche Entlastungen für Familien?

 

Während die Tagesschau läuft, beginne ich zu träumen

Vielleicht werde ich in wenigen Minuten Zeuge neuer familienfreundlicher Ideen und Überraschungen, die sich Frau Merkel und Herr Schulz extra für das TV- Duell aufgehoben haben? Ist ja nicht ganz unwahrscheinlich. Die beiden wissen doch, dass Familienpolitik kein „Gedöns“ mehr ist. Und Frau Merkel will doch „ein Deutschland in dem wir gut und gerne leben.“ Da geht doch was in Bezug auf Familien!

 

Wie wäre es mit Wertschätzung und neuen Ideen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Ich wünsche mir, dass ALLE Eltern wertgeschätzt werden und keine finanziellen Sorgen haben müssen. Egal ob verliebt, verlobt, verheiratet, hetero, homo oder alleinerziehend. Egal ob sich Mama Vollzeit um die Kinder kümmert oder in Vollzeit arbeitet.

Und es wäre toll, wenn Frauen endlich ohne Ängste ihrer/ihrem Vorgesetzten verkünden könnten: “Juhuuu, ich bin schwanger“. Wenn sie ohne Diskriminierung arbeiten könnten und nach der Elternzeit mit Kusshand empfangen und ihre Karriere ohne Aufhebungsvertrag und Abfindung fortsetzen könnten.

 

Wie wäre es mit der Verbesserung der Betreuungssituation in Kitas und Schulen?

Wenn mein kleiner Sohn morgen in die Kita geht, möchte ich nicht, dass er mit dem in Berlin bestehenden durchschnittlichen Personalschlüssel von 8,9 Kinder auf einen Erzieher betreut wird.

Wenn mein großer Sohn morgen in die Schule geht, möchte ich, dass genug motivierte und gut ausgebildete Lehrer anwesend sind, die ihm das 1×1 beibringen.

Mit einem Auge schaue ich die Wettervorhersage und träume weiter.

Ich wünsche mir, dass in diesem Land alle Kinder eine faire Chance bekommen. Das Kitas bundesweite Qualitätsstandard haben. Das die Kinder mit nachhaltigen Bildungskonzepten in gut ausgestatteten und funktionierenden Schulgebäuden unterrichtet werden. Und dort auf Klos gehen können, in denen kein braunes Wasser aus dem Hahn fließt.

 

Das Duell startet

Ich bin so naiv und denke für einen kurzen Moment: Vielleicht geschehen ja noch Zeichen und Wunder und Frau Merkel oder Herr Schulz traut sich während des TV-Duells das Wort „Hebammenrettung“ in den Mund zu nehmen? Geburtshilfe ist doch elementar. Ich überlegte wie die beiden wohl zur Welt gekommen sind. Ich wette mit der Hilfe von Hebammen. Hebammen, die damals nicht 6800 EUR im Jahr für ihre Haftpflichtversicherung abdrücken mussten.

Ich sehe Frau Merkel in Königsblau. Heute ohne Schland-Kette. Und Herr Schulz grinst. Beide wirken etwas aufgeregt. Ich bin nicht mehr aufgeregt und fange bald an zu gähnen. Es wird über Migration, Außenpolitik und sonntägliche Kirchenbesuche gesprochen. Die Gähn-Intervalle werden immer kürzer. Ein Wunder, dass mir nicht die Erdnüsse im Hals stecken bleiben.

Zeichen und Wunder. Haha. Weit gefehlt.

 

Ernüchtert stellte ich bald fest: Die familienpolitischen Themen werden im weiteren Verlauf der Sendung nur auf wenige Punkte beschränkt.

– Schulz: Anspruch von Teil- auf Vollzeitarbeit (zumindest thematisch angekratzt)

– Beide: Abschaffung der Kitagebühren (über die Qualität der Betreuung wurde kein Wort verloren)

– Merkel: Erhöhung des Kindergeldes (Wow, 25 EUR/Monat!)

– Schulz: Kinderbonus von EUR 150 pro Familienmitglied (ich lache kurz, nachdem er nicht ganz versteht, dass eine vierköpfige Familie in der Regel zwei Kinder hat) und Wahl zwischen Ehegatten und Kindersplitting (aber nichts von einer gänzlichen Abschaffung des Ehegattensplittings, weitere Details werden nicht erläutert)

Stattdessen diskutieren die beiden beim Themenblock „Soziale Gerechtigkeit“ ausführlich über die Pkw-Maut und die Dieselaffäre. 

 

Geht’s noch?

An dieser Stelle hätten die Moderatoren eingreifen müssen. Oder die beiden Duellanten hätten einen Weg finden müssen, um familienpolitische Themen wieder hoch auf die Bühne zu bringen. Das können die Politiker in Talkshows doch ganz gut. Eine Antwort geben, die nicht zur Frage passt.

Aber nein, Familienpolitik war allen Beteiligten nur Sekunden wert. Addiert kommt man schätzungsweise auf ca. 3 Minuten. 8 Millionen Familien sind scheinbar zu wenig Wahlvolk.

Ich stopfe mir noch eine Handvoll Erdnüssen in den Mund und schaltete enttäuscht den Fernseher aus.

 

Trauriges Fazit

Die 90 Minuten TV-Duell haben uns gezeigt: In Deutschland wird mehr über Autos als über Kinder geredet.

Und:

Einen „Sieger“ gibt es nicht. Nur Verlierer. Und das sind die Familien und ihre (zukünftigen) Kinder.

 

Weitere Blogeinträge zum Thema

1 Kommentar

  • Antworten
    Marie
    4. September 2017 at 9:27

    Ich teile deine Wünsche für mehr Wertschätzung für Eltern, egal wie viel sie arbeiten. Ich konnte leider nicht zuschauen, ich War mit meinen Kindern beschäftigt, die scheinbar für die Politik immer noch nur „Gedöns“ sind.

  • Schreibe einen Kommentar zu Marie Antwort wiederrufen